Manchmal komponiert, manchmal spontan – und immer urban. Positionen aus sieben Jahrzehnten Street Photography als Protagonisten einer Ausstellung im Kunst Haus Wien.
Der Fotograf als Stadtflaneur im Baudelaire’schen Sinne oder als einer, der, Cartier-Bresson folgend, im öffentlichen Raum darauf wartet, den „moment décisif“ nicht zu verpassen. Das ist sozusagen die Vorgeschichte, die auf ein fotografisches Genre hinführt, das sich seit den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts zu immer vielfältigeren Ausprägungen entwickelt hat. Möglich wird die sogenannte Street Photography nicht zuletzt durch technische Neuerungen, die mehr Mobilität des Schnapp-schießens außerhalb des Studios ermöglichen. So heftet sich die Straßenfotografie, wie man auf Deutsch etwas unschön sagen könnte, jener Literatur oder anderen Sparten der Kulturproduktion an die Fersen, die sich seit dem 19. Jahrhundert thematisch dem Leben und Treiben in der Großstadt der Moderne widmen. Auch: aus ihm einen Sinn ableiten wollen.
In ihrem einleitenden Beitrag zum Katalog der Ausstellung „Street. Life. Photography“ schreibt Kuratorin Sabine Schnackenberg über die große Bandbreite der Street Photography in den sieben Jahrzehnten, die die Schau abdeckt, und erwähnt „das Gefälle der Wahrnehmung zwischen sorgfältiger Beobachtung bis zur spontanen Intervention“. Einfacher gesagt: Hier sind Fotografen am Werk, die mit Geduld vorzugehen wissen, den richtigen Moment ihres Eingreifens erkennen und, begleitend, auch gut mit Menschen umgehen können. Diese schließlich stehen, ob nun im Bildmittelpunkt oder etwas mehr an den Rand gerückt, im Zentrum jenes Lebens auf der Straße, das für das fotografische Genre namensgebend ist und einen wesentlichen Unterschied zum Beispiel zur reinen Architekturfotografie darstellt. Eine „trace du vécu“, wenn man beim Französischen bleiben möchte, also eine wie immer ausgeprägte Spur des auf der Metropolenstraße Ge- und Erlebten, wird sich aber zwangsläufig in allen Bildern ausmachen lassen.