Analyse. In einer Rede forderte der türkische Präsident das Recht für sein Land, zur Atommacht aufzusteigen. Doch einfach wäre die Beschaffung nicht. Die Türkei verfügt über keine Atomtechnik.
Istanbul. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, fordert für sein Land das Recht auf Atomwaffen, um im Konzert der Großmächte mitspielen zu können. Er akzeptiere nicht, dass andere Länder Atomwaffen besäßen, der Türkei aber solche Waffen verbieten wollten, erklärte Erdoğan in einer Rede.
Eine Umsetzung der Forderung wäre für Ankara sehr schwierig. Der Ruf nach Atomwaffen passt aber zum Selbstverständnis der Türkei als eigenständige Regionalmacht, die trotz der Mitgliedschaft in Bündnissen wie der Nato eigene Ziele verfolgt.
Seit Jahren betrachtet die Türkei das israelische Atomwaffenprogramm und auch die nuklearen Ambitionen des Nachbarn Iran mit Misstrauen. Israel sei wegen seiner Atomwaffen in der Lage, jedem in der Region Angst einzujagen, sagte Erdoğan in seiner Rede im zentralanatolischen Sivas.
Entfremdung von den USA
Aus Sicht des türkischen Präsidenten ist der Besitz von Atomwaffen gleichbedeutend mit Macht: „Alle entwickelten Länder der Welt“ verfügten über solche Waffen, betonte Erdoğan. Die Aussage stimmt allerdings nicht. So haben 14 der 20 führenden Wirtschaftsmächte der Welt in der G20-Gruppe keine Atomwaffen. Solche Widersprüche sind für Erdoğan unwichtig. Er beklagte, die derzeitigen Atommächte wollten der Türkei verbieten, Raketen mit atomaren Sprengköpfen zu beschaffen.
Erdoğan betonte in seiner Rede den Anspruch seines Landes, rüstungs- und sicherheitspolitisch unabhängig von Allianzen zu handeln. Er sprach den Streit mit den USA und anderen Nato-Staaten über die Beschaffung des russischen Flugabwehrsystems S-400 an. Die Türkei suche sich ihre Partner selbst aus. „Bisher saßen wir mit den USA am Tisch, jetzt sitzen wir mit Russland zusammen, und morgen setzen wir uns vielleicht mit China hin“, sagte er.