Die neue Regierung beeinsprucht ein regionales Gesetz mit Finanzierungen für Migrantenabschiebung, der Bürgermeister von Riace darf wieder heim.
„Die Migration wird zur Priorität der Regierung“: Mit diesen Worten richtete sich der frisch angelobte Außenminister italienische Außenminister, Luigi Di Maio, an seine Botschafter. Allerdings blieb der 33-Jährige sehr vage und wiederholte, was bereits sämtliche italienische Außenminister vor ihm gefordert hatten: Italien werde sich für die Reform des Dublin-Systems einsetzen, laut dem ein Einwanderer den Asylantrag in jenem Land stellen muss, das er als erster betritt. Zudem müssten die EU-Staaten mehr Verantwortung übernehmen.
Doch ob die neue Regierung aus Linksdemokraten und Fünf-Sterne-Bewegung nun vom radikalen Kurs von Matteo Salvini abweichen wird, blieb offen. Erste Signale einer Änderung in der Migrationspolitik der italienischen Regierung gibt es aber bereits. So hat die Regierung in Rom beschlossen, ein regionales Gesetz der von der Lega regierten autonomen Region Friaul-Julisch Venetien zu beeinspruchen, das öffentliche Finanzierungen für Abschiebung von Migranten vorsieht.
Das regionale Gesetz enthalte diskriminierende Maßnahmen gegenüber ausländischen Bürgern, hieß es in einer Mitteilung des sozialdemokratischen Regionenministers Francesco Boccia. Die Sozialdemokraten drängen auf eine Abkehr vom harten Einwanderungskurs der "geschlossenen Häfen", die Ex-Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini in den letzten 14 Monaten vorangetrieben hatte.
Lega-Politiker empört
Über den Streit zwischen Regierung und der Region Friaul wird das Verfassungsgericht entscheiden müssen. Der Präsident von Kärntens Nachbarregion Friaul, der Lega-Politiker Massimiliano Fedriga, protestierte vehement gegen den Regierungseinspruch gegen sein Gesetz. "Wir haben Finanzierungen für Bildungskurse zugunsten von Migranten gestrichen, die illegal nach Italien gereist sind und verwenden dieses Geld für die Rückführungen", verteidigte sich Fedriga und attackierte die neue Regierung Conte, die unter Ausschluss seiner Lega entstanden ist.
Nachfolgerin vom rechtspopulistischen Innenminister Matteo Salvini ist Luciana Lamorgese, ehemalige Präfektin von Mailand. Sie ist die einzige parteilose „technokratische“ Ministerin der neuen Regierung unter Giuseppe Conte. Die Expertin ist - im Gegensatz zu ihrem im Internet hyperaktiven Vorgänger - auf keinem einzigen sozialen Medium aktiv.
Die Sozialdemokraten fordern die sofortige Abschaffung des von Salvini im Parlament durchgesetzten Sicherheitspakets, mit dem Strafen für Rettungsschiffe eingeführt wurden, die ohne Erlaubnis in Italien einlaufen. Die PD ist für einen milderen Migrationskurs. Sie sprach sich für ein neues Einwanderungsgesetz aus. Die Fünf Sterne befürchten aber klare Popularitätsverluste, sollten sie von der von der Lega bestimmten rigorosen Anti-Einwanderungslinie massiv abweichen.
Bürgermeister von Riace darf wieder heim
Kaum ist sein ärgster politischer Gegner aus dem Amt, darf ein wegen seines Einsatzes für Zuwanderer bekannt gewordener früherer Bürgermeister in Italien wieder in sein Dorf zurück. Ein Gericht in der kalabrischen Stadt Locri hob am Donnerstag das Verbot auf, nach dem Domenico Lucano alias "Papa Mimmo" seine Gemeinde Riace nicht mehr betreten durfte, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete.
Lucano kehrte sofort nach Riace zurück, um seinen kranken Vater zu besuchen, was ihm zuvor verwehrt worden war. Als Bürgermeister des nahe der Fußspitze des italienischen Stiefels gelegenen Ortes hatte Lucano ein Zeichen für Toleranz gesetzt: Er hatte in dem von Entvölkerung geplagten Dorf Hunderte Migranten aufgenommen und ihnen Arbeit verschafft. Er wurde dafür mit dem Friedenspreis der Stadt Dresden ausgezeichnet. Er zog aber den Hass des damaligen Innenministers Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega-Partei auf sich. Lucano wurde unter dem Vorwurf der Begünstigung illegaler Einwanderung vom Dienst suspendiert und zeitweilig festgenommen.
Die Sozialdemokraten fordern die sofortige Abschaffung des von Salvini im Parlament durchgesetzten Sicherheitspakets, mit dem Strafen für Rettungsschiffe eingeführt wurden, die ohne Erlaubnis in Italien einlaufen. Die PD ist für einen milderen Migrationskurs. Sie sprach sich für ein neues Einwanderungsgesetz aus. Die Fünf Sterne befürchten aber klare Popularitätsverluste, sollten sie von der von der Lega bestimmten rigorosen Anti-Einwanderungslinie massiv abweichen.
Ermittlungen gegen Salvini
Dr Vorsitzende von Italiens rechter Lega, Matteo Salvini, hat indes wegen seines Vorgehens als Innenminister gegen Rettungsschiffe, die mit Migranten in italienische Häfen einlaufen wollten, weiter Probleme mit der Justiz. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen den bis Mittwoch als Innenminister amtierenden Salvini wegen Verleumdung der deutschen Kapitänin Carola Rackete aufgenommen.
Die Ermittlungen wurden laut Medienberichten von der Mailänder Staatsanwaltschaft aufgenommen, weil Salvini in Mailand lebt. Sie sind demnach eine Folge der Klage, die die "Sea-Watch 3"-Kapitänin Rackete gegen den Lega-Chef eingereicht hatte. Rackete war Ende Juni auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden, nachdem sie das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" mit 40 Migranten an Bord trotz des Verbots der italienischen Behörden in den Hafen gesteuert hatte. Wenige Tage danach hatte eine italienische Richterin ihre Festnahme für ungültig erklärt und ordnete ihre Freilassung aus dem Hausarrest an.
Salvini hatte die deutsche Kapitänin in Medien und auf Facebook wiederholt beschimpft und als "Kriminelle" und "Piratin" bezeichnet. "Rackete verletzt die italienischen Gesetze, attackiert italienische Polizeiboote und verklagt mich. Ich fürchte die Mafiosi nicht und ich fürchte eine reiche und verwöhnte deutsche Kommunistin nicht", hatte Salvini auf Twitter auf die Klage Racketes gegen ihn reagiert.
(APA, red.)