„Jede Hilfe ist besser als keine Hilfe“

In der San-Arena des Wiener Roten Kreuzes können Notsituationen in realistischen Settings nachgestellt werden.
In der San-Arena des Wiener Roten Kreuzes können Notsituationen in realistischen Settings nachgestellt werden.(c) Norbert Kainc/WRK
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Diesen Sonntag ist der Europäische Tag der Ersten Hilfe, weltweit wird das Thema kommendes Wochenende propagiert. Wie kann man selbst ein guter Ersthelfer werden?

Eigentlich sollte hierzulande im Fall des Falles fast immer ein kompetenter Ersthelfer zur Stelle sein. Nicht nur, dass jeder Führerscheinbesitzer auch Absolvent eines Erste-Hilfe-Kurses ist, es gibt auch eine große Zahl betrieblicher Ersthelfer, die ihre Kenntnisse auch außerhalb des Unternehmens einsetzen können – und müssen. In jedem Betrieb, der Mitarbeiter beschäftigt, muss nämlich ein entsprechend ausgebildeter Ersthelfer anwesend sein – je nach Unternehmensgröße und Gefahrenpotenzial auch mehrere. Diese müssen einen 16-stündigen Grundkurs absolviert haben sowie wahlweise alle zwei Jahre eine vierstündige oder alle vier Jahren eine achtstündige Auffrischung.

Angeboten werden die Grundkurse für Ersthelfer – die auch von Privatpersonen besucht werden – wie auch die sechsstündigen Erste-Hilfe-Kurse für den Führerschein unter anderem von den Rettungsorganisationen wie Samariterbund, Rotes Kreuz oder den Johannitern. Bein Roten Kreuz gibt es die Möglichkeit, den Theorieteil des Führerschein-Erste-Hilfe-Kurses online zu absolvieren, der Übungsteil mit Anwesenheitspflicht dauert dann nur vier Stunden.

Fokus auf Praxis

Das Verhältnis von einem Drittel Theorie und zwei Dritteln Übungen ist typisch für Erste-Hilfe-Kurse. „Praxis ist das Um und Auf“, sagt Alexandra Schikowitz vom Samariterbund. „Spielerisches Lernen macht auch Spaß“, ergänzt Mathias Amon, Erste-Hilfe-Trainer beim Wiener Roten Kreuz.

Während der Führerscheinkurs den Fokus auf Unfälle im Straßenverkehr legt, „deckt der Grundkurs Erste Hilfe ein breiteres Spektrum, insbesondere plötzliche Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt, ab“, erklärt Schikowitz. Oft werden Ersthelferkurse in Unternehmen abgehalten, wobei auf spezifische Gefahren – etwa Chemie- oder Elektrounfälle – näher eingegangen wird. „Von den 16 Stunden des Grundkurses sind vier für Spezialthemen vorgesehen. Alternativ wird diese Zeit für vertiefende Übungen genutzt oder für Diskussionen – etwa über persönlich erlebte Situationen“, berichtet Schikowitz. Die Kurse zum betrieblichen Ersthelfer und die Auffrischungskurse werden auch von Organisationen wie dem Wifi oder der TÜV-Akademie angeboten.

Die Rettungsdienste haben darüber hinaus diverse Spezialkurse im Programm. „Die überwiegende Zahl der Notfälle, rund 75 Prozent, ereignen sich zu Hause oder in der Freizeit“, weiß Amon. Großer Beliebtheit erfreuen sich etwa Kurse für Erste Hilfe bei Kleinkindern, die beim Roten Kreuz von vier- bis 16-stündig verfügbar sind. Beim Samariterbund sind sie in drei Module geteilt, gestaffelt nach Dringlichkeit von Atemstillstand über Blutungen, Brüche und Verbrennungen bis zu Kinderkrankheiten.

Ebenfalls im Portfolio des Roten Kreuzes sind Erste-Hilfe-Kurse für Seh- oder Hörbehinderte und Kurse, die auf Outdoor-Aktivitäten abgestimmt sind. Auch der Samariterbund hat Erste-Hilfe-Kurse für spezielle Zielgruppen im Programm, etwa für Biker oder Senioren. Diese werden laut Schikowitz meist auf Nachfrage abgehalten.

Keine Angst

Entscheidend ist laut Amon die regelmäßige Auffrischung, um im Ernstfall die Angst zu nehmen. Diese will der Experte generell zerstreuen: „Jeder ist als Ersthelfer geeignet“, betont er. Und: „Die Verantwortung kann man nicht abgeben.“ Im Notfall sei es vordringlich, einen Notruf unter 144 abzusetzen. Bei Bedarf wird man telefonisch bei den Erste-Hilfe-Maßnahmen angeleitet. „Man wird nicht allein gelassen“, sagt Amon. „Jede Hilfe ist besser als keine Hilfe.“ Das gelte insbesondere für die Herzmassage, wenn eine Person nicht mehr atmet. Diese sollte „schnell und kräftig“ sein. „Wenn sich jemand Mund-zu-Mund-Beatmung nicht zutraut, kann Herzmassage kurzzeitig ausreichen.“ Nachsatz: „Oft geht es um Familienangehörige, da stellt sich die Frage meist nicht.“

Insgesamt haben allein beim Roten Kreuz im Vorjahr 190.000 Erwachsene einen Erste-Hilfe-Kurs besucht, zudem rund 100.000 Kinder und Jugendliche.

Wer selbst Trainer für Erste-Hilfe-Kurse werden will, kann dies etwa beim Roten Kreuz lernen. Nach einem Erstgespräch und jeweils drei Tagen fachlicher und didaktischer Schulung ist man bereit. Vorwissen, etwa als Rettungssanitäter, ist nicht erforderlich. Reich wird man damit allerdings nicht, für die gemeinnützige Tätigkeit ist nur eine geringe Aufwandsentschädigung vorgesehen.

INFO-EVENTS

Web:www.erstehilfe.at, www.wifi.at, www.johanniter.at, www.tuv-akademie.at, www.samariterbund.net.Bei den Active Days in The Mall, Wien Landstraße, veranstaltet das Wiener Rote Kreuz Erste-Hilfe-Präsentationen mit Mitmachmöglichkeit.

Am „Grätzlfest – Wir in Ottakring & Penzing“ ist das WRK von 13 bis 19 Uhr mit einem Erste-Hilfe-Stand vertreten. Ein Schwerpunkt sind Kindernotfälle. Besucher können Fragen stellen und unter Anleitung üben.

Beide Events finden am 14. Oktober statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2019)

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