Was von der personifizierten Antithese zu Salvini zu erwarten ist

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Die neue Innenministerin schlägt mildere Töne in Sachen Migration an. Die Zukunft der umstrittenen Sicherheitsgesetze bleibt aber offen.

Rom/Wien. „Die Migration ist Priorität der Regierung“: Mit diesen Worten richtete sich der frisch angelobte italienische Außenminister, Luigi Di Maio, an seine Botschafter. Allerdings blieb der 33-Jährige bewusst vage und wiederholte, was bereits sämtliche italienischen Topdiplomaten vor ihm gefordert hatten: Rom werde sich für die Reform des Dublin-Systems einsetzen, laut dem ein Einwanderer den Asylantrag in jenem EU-Land stellen muss, das er als Erster betritt.

Zudem müssten „die EU-Staaten mehr Verantwortung für die ankommenden Migranten übernehmen“: Rom pocht also weiterhin auf eine Verteilung der Einwanderungen auf EU-Länder.

Ob die Linksdemokraten-Fünf-Sterne-Koalition vom harten Einwanderungskurs des Rechtspopulisten Matteo Salvinis abweichen werde, ließ er aber offen. Lega-Chef Salvini hatte als Innenminister unter anderem Häfen für NGOs sperren lassen, die Migranten im Mittelmeer retten.

Das entsprechende Gesetz sorgte bei den Regierungsverhandlungen zwischen Fünf Sterne und Linksdemokraten (PD) für Friktionen: Die PD fordert die sofortige Abschaffung des Sicherheitspakets, die Fünf Sterne wollen die Maßnahmen beibehalten: Sie befürchten Popularitätsverluste, immerhin haben sie im Parlament dem Gesetz zugestimmt. Der Streit dürfte bald die neue Koalition belasten.

Doch es gibt jetzt schon klare Anzeichen, dass in der Flüchtlingspolitik Roms ein neuer Ton vorherrschen wird: Kaum im Amt, da ließ die neue Regierung schon ein regionales Gesetz der von der Lega regierten autonomen Region Friaul-Julisch Venetien beeinspruchen, das öffentliche Finanzierungen für Abschiebung von Migranten vorsieht. Das regionale Gesetz enthalte diskriminierende Maßnahmen gegenüber ausländischen Bürgern, hieß es in einer Mitteilung des Regionenministers, Francesco Boccia (PD). Über den Streit zwischen Regierung und der Region Friaul wird das Verfassungsgericht entscheiden müssen.

Vor allem aber deutet die Nominierung der parteilosen Juristin Luciana Lamorgese (66) darauf hin, dass sich der Tenor in der Flüchtlingsdebatte ändern wird. Die angesehene Beamtin mit langer Erfahrung im Innenministerium soll nach der starken Emotionalisierung durch Salvini das aufgeheizte Migrationsthema wieder etwas abkühlen. Das Einwanderungsproblem müsse wieder verstärkt aus der rechtlichen, und nicht mehr nur aus der politischen Perspektive behandelt werden, lautet die deutliche Botschaft der Ernennung der „Technokratin“ Lamorgese. Italienische Medien bezeichnen sie nicht nur deshalb als „Gegen-Salvini“: Immerhin ist die Expertin – im Gegensatz zum hyperaktiven Salvini – auf keinem einzigen sozialen Medium aktiv.

Andererseits ist nicht zu erwarten, dass die neue Regierung nun „eine Politik der offenen Grenzen“ verfolgen wird, wie die rechte Opposition gebetsmühlenartig donnert. Zum einen wird Premier Giuseppe Conte tunlichst vermeiden, der Lega auf diesem heiklen Terrain eine Angriffsfläche zu bieten: Salvinis Migrationspolitik war in Italien sehr populär. Zum anderen hatten schon die letzten linksdemokratischen Regierungen begonnen, eine restriktivere Migrationspolitik durchzuführen: So hatte die Regierung von Matteo Renzi im Jahr 2014 für das Ende der Mare-Nostrum-Rettungsmission im Mittelmeer gestimmt.

Beraterin des Libyen-Deals

Und unter Premier Paolo Gentiloni schloss Italien im Jahr 2017 umstrittene Deals mit Libyens Behörden ab, die für gutes Geld die Abreise von Flüchtlingen verhindern. Diese Vereinbarungen, die immer wieder auch von Menschenrechtsgruppen angeprangert werden, trugen wesentlich zum Rückgang der Flüchtlingsströme bei. Lamorgese war übrigens direkt involviert bei den Verhandlungen: Sie arbeitete als Chefberaterin des damaligen Innenministers, Marco Minniti.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2019)

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