Der Wurm mit dem Bakterienpelz

Die stäbchenförmigen Bakterien verlieren auch bei der Zellteilung nie den Kontakt zur Oberfläche des Wurms.
Die stäbchenförmigen Bakterien verlieren auch bei der Zellteilung nie den Kontakt zur Oberfläche des Wurms.Nikolaus Leisch
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Ein karibischer Fadenwurm und seine spezielle Lebensgemeinschaft mit Einzellern wird an der Uni Wien erforscht. In der DNA der Bakterien ist man auf eine Überraschung gestoßen.

Es gibt unangenehmere Forschungsreisen als jene, die Silvia Bulgheresi mit ihrem Team unternehmen muss, um ihre Studienobjekte einzusammeln: Der bis zu einem Zentimeter lange Fadenwurm Laxus oneistus lebt am Meeresgrund vor karibischen Inseln in seichtem, knietiefen Wasser, wo ihn die Biologen der Universität Wien mit kleinen Fangnetzen aus dem Sand fischen.

Der behagliche Lebensraum der weißen Würmer war aber nicht ausschlaggebend für das Interesse der Wissenschaftler an den wirbellosen Kreaturen – vielmehr interessieren sich die Symbioseforscher für den Grund ihrer weißen Färbung, erklärt Bulgheresi. „Eigentlich sind diese Nematoden (Fadenwürmer, Anm.) durchsichtig, doch sie sind von einem dichten Fell aus Bakterien umgeben, das sie weiß färbt. Diese Lebensgemeinschaft mit den Einzellern ist etwas Besonderes, denn es handelt sich dabei um eine einzige Bakterienspezies – auf der Oberfläche der meisten anderen Tiere tummeln sich dagegen Hunderte verschiedene Arten von Symbionten.“

Der Länge nach geteilt

Für Mikroorganismen sind größere Lebewesen ein beliebter Lebensraum – es existiert kaum ein Vielzeller, der nicht mit ihnen in irgendeiner Form von Symbiose lebt. Auch in und auf dem Menschen leben Billionen von Mikroben, ein buntes Gemisch an Bakterien, Pilzen und anderen Einzellern. Dass der karibische Fadenwurm dagegen nur von einer einzigen Bakterienspezies umhüllt ist, liegt unter anderem an der besonderen Vermehrungsweise der Mikroben. „Die dünnen, stäbchenförmigen Bakterien teilen sich nicht wie ihre frei lebenden Verwandten in der Mitte“, beschreibt Bulgheresi den Prozess, „sondern der Länge nach. So bleiben beide Tochterzellen an einem Ende mit dem Wurm verbunden.“ Auf diese Weise wächst dem Wurm ein dichter Bakterienpelz, der keinen Raum für andere Mikroben lässt.

Neben dieser außergewöhnlichen Orientierung der Zellteilung hat Bulgheresis Team in einer kürzlich veröffentlichten Studie (Current Biology, 29.8.), die vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wurde, noch eine weitere Besonderheit bei den Bakterien festgestellt: Das ringförmige Erbgut, das sich bei jeder Teilung der Mikrobe verdoppelt, bleibt auch in den Tochterzellen in der gleichen Position: Die auf der DNA liegenden Gene befinden sich dadurch immer an derselben Stelle in den Zellen. „So etwas wurde noch nie bei Symbionten beobachtet, und es wirft viele Fragen auf“, sagt die Biologin Bulgheresi. „Möglicherweise stellt das Bakterium damit sicher, dass Gene, die für das Zusammenleben mit dem Nematoden wichtig sind, auch auf der ihm zugewandten Seite abgelesen werden, während sich andere, die für die Interaktion mit der Umwelt verantwortlich sind, auf der Außenseite befinden.“

Das rechte Gen am rechten Ort?

So könnten etwa Gene, die für die Ausscheidung bestimmter Substanzen verantwortlich sind, direkt in Richtung Wurm abgelesen werden. „Das ist eine unserer Hypothesen, denn dafür braucht das Bakterium große Proteinkomplexe aus über einem Dutzend verschiedener Komponenten. Wenn diese direkt vom Chromosom in die Membran eingebaut werden, würde das dem Bakterium viel Energie sparen“, vermutet die Forscherin. Und auch für die DNA-Abschnitte auf der Außenseite könnte Ähnliches gelten, hier könnte das Bakterium Gene für die Abwehr anderer Einzeller installiert haben.

In weiteren Studien will die Forscherin nun genau bestimmen, wozu die jeweiligen Bereiche des Erbguts dienen. Vielleicht finden sich dabei auch neue Hinweise auf den Grund für diese außergewöhnliche Symbiose. Bulgheresi: „Wir wissen bisher noch nicht, warum diese beiden Organismen zusammenleben. Eventuell reinigt das Bakterium mit seinem speziellen Stoffwechsel den Lebensraum des Nematoden von giftigen Schwefelverbindungen. Der Wurm könnte den Einzellern im Gegenzug eine exklusive Nische bieten, um sich ungestört zu vermehren.“

Ein besseres Verständnis dieser beiden Spezies und ihrer engen Lebensgemeinschaft könnte darüber hinaus auch für andere Formen der Symbiose wichtige Erkenntnisse liefern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2019)

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