Wohnsinn

Warum Immobilienmakler in Großbritannien nach Politikern die zweitunbeliebteste Berufsgruppe sind.

Nichts kann einen Londoner mehr verdrießen als die Wohnungssuche. Die Preise treiben selbst hartgesottenen Gemütern die Tränen schneller in die Augen als frisch geriebener Kren. Sogar einem Schwadroneur wie Boris Johnson fehlen die Worte angesichts des dafür Angebotenen. Hundehütte mit Außenklo trifft es oft ziemlich präzise.

Mit dem neuen britischen Premierminister halten es viele Makler auch in puncto Aufrichtigkeit. Dass die Dame zu einem Termin 15 Minuten zu spät kommt? Geschenkt. Dass sie erklärt, sie habe unentwegt angerufen, obwohl kein entgangener Anruf vorliegt, sorgt schon für Irritation.

Beim Small Talk stellt sie dann die Behauptung auf, jetzt sei der Moment, schnell eine Immobilie zu erwerben, denn die Preise würden nun rasant steigen. Sorry? Angesichts des drohenden harten Brexit erwarten viele einen Kollaps. Eilig haben es in Wahrheit jetzt die Verkäufer.

Die als hell und geräumig annoncierte Wohnung erwies sich als kaum größer und charmanter als ein Hotelzimmer. Hell war sie aber. Immerhin. Vor der Besichtigung einer anderen Wohnung eine Woche später war klargestellt worden, dass Erdgeschoß keine Option ist. Wo wartete dann der Makler? Erraten!

Ist es ärgerlicher, dreist angelogen oder einfach nur für blöd gehalten zu werden? Immobilienmakler sind jedenfalls die einzigen Menschen in Großbritannien, die ihren Politikern etwas zu verdanken haben. Dank ihnen sind sie nur die zweitunbeliebteste Berufsgruppe.


Nächste Woche:
Jutta Sommerbauer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2019)

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