Die Schwiegersöhne

Der eine ist laut, der andere leise, der eine hat blonde, der andere blaue Haare. Aber beide sind lustig und lieb, und ich nenne sie meine „Schwiegersöhne“. Mit Anführungszeichen.

Zunächst einmal: Moritz heißt gar nicht Moritz. Ich habe ihn nur für die Kolumne so getauft, irgendwie musste ich ihn ja nennen, jenen Burschen, mit dem Marlene seit über einem Jahr zusammen ist, und den echten Namen wollte ich nicht verraten. Das Problem: Moritz gefällt ihm nicht. Also heißt er hier in Hinkunft Max. Hallo, Max.

Dann gibt es Lukas. Er heißt auch nicht Lukas, aber er findet den Namen okay. Vielleicht findet er ihn aber auch nicht okay, und er würde in dieser Kolumne lieber anders heißen, zum Beispiel Matthias oder Tim oder Noah. Er würde das aber nie sagen, denn dafür ist er zu höflich, also bleibt er solang Lukas. Hallo, Lukas.

Lukas und Max sind sehr verschieden. Der eine ist leise, der andere laut, der eine hat blonde, der andere blaue Haare, der eine klettert gern, und der andere fährt Rad. Wenn einer nach Mitternacht zu uns nach Hause kommt, ist das mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit Max. Und wenn jemand in unserer Küche Orecchiette mit Erbsen und Minze kocht, dann ist das mit hundertprozentiger Sicherheit Lukas. Aber beide sind lustig und lieb, und ich nenne sie manchmal, wenn sie mich nicht hören können, „meine Schwiegersöhne“.

Vielleicht, weil „die fixen Freunde meiner Töchter“ irgendwie sperrig klingt. Vielleicht auch, weil ich sie gerne behalten möchte.


Ansichtskarten. Seit ich „Schwiegersöhne“ habe, hat sich manches verändert. Hannah und Marlene kuscheln nicht mehr mit mir, nicht einmal, wenn sie krank sind, das ist traurig. Ich darf zu Hause nicht mehr nackt herumlaufen, das ist lästig. Die Wohnung ist, je nachdem, wer aller gerade hier übernachtet, entweder zu groß oder zu klein, und in puncto Essen ist es auch nicht einfacher geworden. Damit ich weiß, wie viel ich kochen muss, schickt mein Mann jeden Tag um 14 Uhr eine SMS und fragt, wer am Abend zu Hause ist. Lukas antwortet um 14.05 Uhr. Hannah antwortet um 14.10. Marlene antwortet um 18.30. Ob Max mitisst, weiß man, wenn er die Gabel in der Hand hat. Wir kochen immer zu viel.

Dafür bekomme ich jetzt manchmal Ansichtskarten oder WhatsApp-Nachrichten aus dem Urlaub mit Palmen oder Stränden, und mein Mann hat endlich jemanden, mit dem er über Eintracht Frankfurt und den Drehzahlmesser bei alten Volvos reden kann. Das WLAN funktioniert jetzt auch im Schlafzimmer. Die Orecchiette mit Erbsen und Minze schmecken wunderbar. Vor allem aber: Wenn die beiden da sind, reden Hannah und Marlene mehr als sonst und lachen mehr als sonst, sie sind glücklicher als sonst, und Hannah macht keine Sorgenfalten.

Und die Katze freut sich auch.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2019)

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