Emma Thompson: „Jeden Moment genießen“

Emma Thompson hält nicht viel vom Jugendwahn: „Ich möchte lieber jeden Moment genießen, weil ich mich glücklich schätze, am Leben zu sein.“
Emma Thompson hält nicht viel vom Jugendwahn: „Ich möchte lieber jeden Moment genießen, weil ich mich glücklich schätze, am Leben zu sein.“ (c) REUTERS (Hannah Mckay)
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Emma Thompson ist Lady und Clown zugleich, hat einen Cambridge-Abschluss und wurde von Prinz William zur „Dame“ geadelt. Die Polit-Aktivistin ist der einzige Mensch, der Hauptdarsteller- und Drehbuchoscar gewonnen hat. Derzeit ist die 60-Jährige in „Late Night“ zu sehen.

Wenn sie in einen Raum kommt, füllt sie ihn sofort aus. Emma Thompson hat eine besondere Energie, ein Leuchten, das von ihr ausgeht. Jede ihrer Antworten wird von großen Gesten und ausdrucksstarker Mimik begleitet. Derzeit ist die Charakterdarstellerin in der Komödie „Late Night“ als Talkshow-Hostess zu sehen, die wegen ihres Alters abgesägt werden soll und sich mit Witz, Chuzpe und Ehrlichkeit gegen den Rauswurf wehrt.

In „Late Night“ spielen Sie eine bissig-smarte Moderatorin, die sich über Jahrzehnte im Business gehalten hat. Sie spielen sie mit jeder Ihrer Falten. Das ist sehr erfrischend.

Emma Thompson: Ich habe keine andere Wahl. Ich lege mich nicht aus kosmetischen Gründen unters Messer oder lasse mich aufspritzen. Ich hasse Spritzen. Ich finde es wunderbar, wenn natürliche Schönheit wieder mehr wahrgenommen wird. Hoffentlich fühlen sich die Menschen dadurch weniger unter Druck, was den Schönheits- und Jugendwahn angeht.

Ihre Filmfigur soll aber auch gefeuert werden, weil sie nicht mehr zeitgemäß ist.

Es ist eine Tatsache, dass Katherine alt ist. Solang wir nicht akzeptieren, dass wir altern, und kindisch mit dem Thema umgehen, sind wir dazu verdammt, unglücklich zu sein. Das führt dazu, dass sich die jüngere Generation vor dem Alter fürchtet. Da spiele ich nicht mit. Viele meiner Freunde sind bereits tot, etwa durch Krebs. Fakt ist, dass jeder Zweite diese Krankheit hat oder daran erkranken wird. Ich möchte lieber jeden Moment genießen, weil ich mich glücklich schätze, am Leben zu sein.

In der Branche sind Sie ein Vorbild. Was raten Sie der nächsten Generation?

Ich würde gern gerade junge Frauen zum Schreiben ermutigen, auch wenn es nur kleine Sachen sind. Schreibt, schreibt, schreibt.

Wie erklären Sie sich dann den großen Erfolg von „Tatsächlich Liebe“, der durch Sie zu einem Weihnachtsklassiker wurde.

Es scheint tatsächlich der Film zu sein, den die meisten Menschen mit mir in Verbindung bringen. Der hat mich offenbar berühmt gemacht. Es ist eine wirklich gute Geschichte über Untreue, in der sich jeder wiederfindet.

Warum sind Sie als Weltstar nie in die Falle der Selbstglorifizierung getappt?

Sind Sie sich sicher? Nun, ich lebe auf der anderen Straßenseite von meiner Mutter. Seit 60 Jahren lebe ich in derselben Straße in London. Nebenan lebt z. B. der Automechaniker Mr. Carmelli. Er ist Portugiese und ziemlich barsch. Jedes Mal, wenn er mich sieht, brüllt er: „Hey, Emma, was machst du wieder? Du kannst die Welt nicht verändern. Warum bist du nicht schwanger? Wann heiratest du eigentlich?“ Ich dachte immer: „Kannst du mich nicht in Ruhe lassen?“ Zwischen ihm und meiner Mutter, deren angeborene Eigenschaft es ist, in keiner Weise stolz auf irgendetwas zu sein, was ein Familienmitglied macht, hatte ich gar keine Chance, Selbstherrlichkeit zu entwickeln.

Sie sind immer kämpferisch gewesen. Was hat Sie geprägt?

An der Uni habe ich erst einmal den Feminismus entdeckt. Ich war damals ziemlich militant, habe mir die Haare abrasiert und mich natürlich nicht geschminkt. Mein politisches Denken hat sich durch Polit-Kabarettisten geformt, als ich selbst viel Kabarett gemacht habe. Da haben wir nachts Whisky getrunken und über Südamerika diskutiert, wo damals viel los war. Man formt seine innere Welt nach und nach.

Mussten Sie dafür einstecken, ein Freigeist zu sein?

Ich habe in meiner Heimat mehrfach Kritik einstecken müssen, weil ich Dinge offen ausspreche. Je häufiger ich das erlebe, desto weniger macht es mir etwas aus.

Wofür wurden Sie am heftigsten an den Pranger gestellt?

Wegen meines Protests gegen den Ersten Golfkrieg 1990. Dafür wurdest du damals ganz schnell zu Saddam Husseins bestem Freund erklärt. Ich fand die Bombardierung von Zivilisten inakzeptabel und sah darin die Gefahr, dass eine ganze Generation junger Menschen radikalisiert werden könnte. Diese Ansicht war damals extrem unpopulär. Auch heute macht es mich wahnsinnig, dass darüber so wenig gesprochen wird. Keiner thematisiert, welche Gefahr der Radikalisierung der jungen Generation in dem steten Bombenhagel steckte.

Steckbrief

Emma Thompson
wurde 1959 in London geboren. Die britische Schauspielerin ist auch als Drehbuchautorin und Filmproduzentin tätig.

Thompson stammt aus einer Schauspielerfamilie und war schon früh als Schauspielerin und Kabarettistin tätig. Ihren ersten großen Erfolg hatte sie mit ihrer Rolle in „Wiedersehen in Howards End“ (1992), für die sie einen Oscar und einen Golden Globe erhielt. Sie war u. a. in „Junior“, „Viel Lärm um nichts“ und „Tatsächlich Liebe“ zu sehen. Für das Drehbuch von „Sinn und Sinnlichkeit“ (1995) erhielt sie einen Oscar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2019)

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