Weiterer Schlag für Johnson: Arbeitsministerin geht

Amber Rudd
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Sie könne nicht zuschauen, wenn loyale Konservative rausgeschmissen werden, betonte die populäre Ministerin Amber Rudd.

Die Absetzbewegung vom umstrittenen britischen Premierminister Boris Johnson hält an: Die einflussreiche Arbeitsministerin Amber Rudd hat am Samstagabend aus Protest gegen den Fraktionsausschluss führender konservativer Abgeordneter im Brexit-Streit ihren Rücktritt erklärt. Sie könne nicht zuschauen, wenn loyale Konservative rausgeschmissen werden, betonte Rudd.

Der Rücktritt der als gemäßigt geltenden konservativen Politikerin ist ein schwerer Schlag für Premierminister Boris Johnson. Weil die populäre Abgeordnete auch die Tory-Fraktion verlässt, schrumpft der Rückhalt des an der Spitze einer Minderheitsregierung stehenden Brexit-Hardliners im Unterhaus weiter.

Wen Johnson aller rauswarf

Johnson hatte am Dienstag 21 Tory-Rebellen aus der Fraktion geworfen, die im Streit um den Brexit-Kurs des Premiers gegen die eigene Regierung gestimmt hatten. Darunter sind so prominente Mitglieder wie der Alterspräsident und ehemalige Schatzkanzler Ken Clarke und der Enkel des Kriegspremiers Winston Churchill, Nicholas Soames.

Der Premier steht wegen seines harschen Vorgehens zunehmend in der Kritik. Am Donnerstag legte bereits sein Bruder, Jo Johnson, aus Protest sein Amt als Staatssekretär und auch sein Abgeordnetenmandat für die Tories nieder. "Ich war in den vergangenen Wochen zerrissen zwischen Loyalität zur Familie und dem nationalen Interesse - es ist eine unauflösbare Spannung", begründete Jo Johnson seine Entscheidung.

Johnson will keinesfalls Aufschub

Trotz aller Widrigkeiten wagt Johnson am Montag einen neuen Anlauf, um eine Neuwahl durchzusetzen. Labour-Chef Jeremy Corbyn stellte aber am Samstag gegenüber der BBC klar, dass die Opposition einer Neuwahl nur bei Sicherheit in Sachen Brexit zustimmen werde. "Wir brauchen eine klare Aussage des Premierministers, dass er sich an diesen Akt des Parlaments halten wird", forderte Corbyn ein Bekenntnis Johnsons zum am Mittwoch beschlossenen Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit.

Das Gesetz trägt der Regierung auf, eine neue Verschiebung des EU-Austritts zu beantragen, wenn es bis zum 19. Oktober keinen Deal mit der Europäischen Union geben sollte. Johnson erklärte nach dem Parlamentsbeschluss, er wäre "lieber tot und begraben" als in Brüssel einen Aufschub zu beantragen.

Der frühere Vizepremier David Lidington warnte Johnson davor, das Gesetz zu missachten. "Sich irgendeinem bestimmten Gesetz zu widersetzen, stellt einen sehr sehr gefährlichen Präzedenzfall dar", sagte Lidington der BBC. Der Sender berichtete, Oppositionsabgeordnete sowie von Johnson aus der Tory-Partei geworfene konservative Parlamentarier hätten ein Team gebildet, das gegebenenfalls Klage gegen den Regierungschef einreichen solle.

Attacken von Fußballfans auf Brexit-Gegner

Johnson will das Gesetz durch vorgezogene Neuwahlen am 15. Oktober gegenstandslos machen. Er hofft darauf, dass im Unterhaus dann Brexit-Hardliner wie er die Mehrheit haben werden. Wie aufgeheizt die Stimmung in Sachen Brexit ist, zeigte sich am Samstag bei Demonstrationen im Regierungsviertel. Dort kam es vereinzelt zu gewaltsamen Übergriffen der als rechtsextremistisch geltenden Fußballfan-Vereinigung Football Lads Alliance (FLA) auf Brexit-Gegner und Polizeibeamte.

Die ehemalige konservative Parlamentsabgeordnete und Brexit-Gegnerin Anna Soubry sagte aus Angst vor Attacken der Fußballfans ihre geplante Rede am Parliament Square ab. "Ich bin eine Parlamentarierin und ich habe das Recht zu sprechen und ich sollte keine Angst haben, aber es ist sehr, sehr, sehr verstörend und ich habe eigentlich sehr große Angst", sagte Soubry laut PA. Vor dem Regierungssitz Downing Street forderten Hunderte Demonstranten den Rücktritt von Premierminister Boris Johnson.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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