Das Verhältnis zwischen der internationalen Wissenschafts- und Kulturorganisation Unesco und der Stadt Wien ist belastet. Außer dem umstrittenen Heumarkt-Projekt sind auch Dachbodenausbauten und der Karlsplatz ein Reizthema.
Wien. Auf Facebook würde der Status lauten: „In einer Beziehung, es ist aber kompliziert!“ Die Rede ist von der Stadt Wien und der Unesco, der Hüterin der Welterbestätten. Da gibt es Missverständnisse, gestörte Befindlichkeiten und die Drohung einer Scheidung.
„Das war nicht förderlich für die Beziehungen zur Unesco“, beschreibt Ernst Woller, Wiens Landtagspräsident und Sonderbeauftragter für das Weltkulturerbe, die Vergangenheit. Bei Sitzungen des Welterbe-Komitees hätten andere Länder hohe Politiker entsandt, bis zum Jahr 2017 war Wien hier nur auf Beamtenebene vertreten. Woller: „Uns wurde kommuniziert: Hätten wir uns mehr gewehrt, wäre Wien bestimmter aufgetreten, wären wir nicht auf der Roten Liste gelandet.“
Wegen des Heumarkts – in der Schutzzone soll ein Wohnturm gebaut werden – ist Wien auf der Liste, die den Verlust des Prädikats Welterbe bedeuten könnte. Und die Unesco bemüht den berühmten Spruch: „Wir müssen reden.“
Zu besprechen gibt es zwischen der Unesco und Wien einiges. Es geht nicht nur um den Heumarkt, sondern auch um massive Dachausbauten in der historischen Innenstadt, ein (in Bau befindliches) Bierlokal im Schwarzenberggarten und um eine Aufstockung des Winterthur-Hauses am Karlsplatz. Mit allem hat die Unesco wenig Freude. Woller: „Wir haben 832 Hektar Kern- und Pufferzone, 4550 Objekte, die über acht Bezirke verteilt sind. Das Weltkulturerbe ist mehr als ein Haus am Heumarkt.“
Die Rote Liste Und: „Ich bin optimistisch, dass wir eine reale Chance haben, in zwei Jahren wieder von der Roten Liste gestrichen zu werden.“ Denn die Unesco hat der Stadt einen Katalog von Fragen vorgelegt, auf die sie binnen zweier Jahre Antworten haben will. Davon hängt ab, ob Wien seinen Welterbetitel verlieren wird. Wobei diese Fragen komplexer sind als die Frage nach der Höhe des Heumarkt-Turms.
Konkret finden sich im Bericht der Unesco und des Denkmalpflegerats Icomos, der das Ergebnis eines Besuchs der Unesco vor Ort war, laut Woller 30 bis 40 Empfehlungen. „Wir müssen zu den vielen Empfehlungen erklären, was wir schon gemacht haben und was wir in Zukunft machen werden. Dazu dient vor allem der in Arbeit befindliche Managementplan.“
Kritisch hinterfragt die Unesco etwa den Dachkataster (Stichwort: Dachbodenausbauten), das Regelwerk von Denkmalschutz bzw. Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen, das Areal Heumarkt, den Schwarzenberggarten und das Projekt am Karlsplatz. Eben deshalb fordert die Unesco die Erstellung des Managementplans.
„Von 30 bis 40 Punkten können wir 20 bis 30 gut erledigen und erklären“, meint Woller. Am Schluss würden „drei bis fünf Themen“ übrig bleiben, „die wir diskutieren müssen“. Dazu zählt der Umgang mit den historischen Gärten, wobei Woller betont: „Das sind alles Bundesgärten.“
Spielt der Bund mit? Der Weg, das Welterbe zu retten, führt nur über ein gemeinsames Vorgehen mit dem Bund (siehe nebenstehenden Artikel). Bisher war das Türkis-Blau, welche Koalition nach der kommenden Nationalratswahl regiert, ist noch offen. „Man kann bei der Unesco nicht allein als Stadt Wien auftreten. Die Frage des Weltkulturerbes ist eine Frage von Österreich. Die können Bund und Wien nur gemeinsam lösen.“
Die Sitzung des Unesco-Komitees im autoritär regierten Aserbaidschan nahm heuer zu den bestehenden 1100 Kultur- und Naturstätten 29 neue in die Welterbeliste auf, darunter auch die bei Indien-Touristen wegen ihrer Palastanlagen beliebte "rosarote Stadt" Jaipur, die Hauptstadt Rajasthans. Getty Images Die UN-Kulturorganisation hat mit Babylon auch eine der wichtigsten Stätten des Altertums auf die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Der Irak hatte seit mehr als 30 Jahren versucht, die ehemalige Metropole auf die Liste zu bringen. Babylon war vor mehr als 4000 Jahren das Zentrum des altbabylonischen Reiches und liegt rund 100 Kilometer südlich von Bagdad am Euphrat. Der Komplex umfasst zehn Quadratkilometer, von denen bisher nur etwa 18 Prozent freigelegt wurden. Reuters Außerdem neu auf der Liste ist Bagan in Myanmar. Die Stätte umfasst acht Teilgebiete mit zahlreichen Tempeln, Stupas, Klöstern und Pilgerstätten sowie archäologischen Überresten, Fresken und Skulpturen in buddhistischer Architektur. Bagan spiegelt die ausgeprägte Frömmigkeit des alten buddhistischen Reiches wider, beschreibt die Unesco den Listenplatz. Getty Images Mit dem historischen Wassermanagement-System in Augsburg (im Bild) und der Bergbauregion Erzgebirge/Krušnohoří hat Deutschland zwei neue Welterbestätten. Die Zahl des besonders schützenswerten deutschen Kultur- und Naturerbes stieg damit auf 46. Imago Die Herkunftsregion des italienischen Schaumweins Prosecco in Italien gehört nun ebenfalls zum Weltnaturerbe der Unesco. Das Komitee nahm die Hügel des Prosecco zwischen Conegliano und Valdobbiadene (im Bild) in die Liste des besonders wertvollen und erhaltenswerten Erbes der Welt auf, wie die Kulturorganisation mitteilte. Imago Auch die archäologische Stätte Liangzhu im chinesischen Hangzhou wurde zum Welterbe erklärt. Seit den 1970er Jahren wurden die Liangzhu-Ruinen (hier durch ein Fischaugenobjektiv fotografiert) im Rahmen verschiedenster Projekte in Jiangsu, Shanghai und Zhejiang ausgegraben, erforscht und geschützt, was anhand von Materialien und Erkenntnissen über Siedlungsformen, Verwaltungs- und hierarchische Strukturen, spirituellen Glauben, Umgangsformen und Zivilisierungsprozessen bereichernde Einblicke in die Liangzhu-Kultur verschaffte. Erst 2007 wurde die als verschollen gegoltene Liangzhu-Stadt wiederentdeckt. Mit dieser neuen Ernennung umfasst die Liste des Welterbes nun 55 Stätten in ganz China. Imago Das Welterbe-Komitee nahm zudem den Nationalpark Vatnajökull in die Liste auf. Vatnajökull liegt im Südosten Islands und beherbergt den größten Gletscher Europas außerhalb des Polargebietes. Mit ihren Gletschern und Vulkanen zeichne sich die Region durch "extrem dynamische und unterschiedliche geologische Prozesse und Landformen aus", die auf der Welterbeliste bisher Mangelware seien, hieß es von der Unesco. Imago Die Französischen Süd- und Antarktisgebiete (Terres australes et antarctiques françaises, TAAF) sind ein französisches Überseegebiet. Dazu zählen im südlichen indischen Ozean die Crozet-Inseln, die Kerguelen sowie Saint-Paul und Amsterdam. Sie beherbergen die größte Konzentration von Meeresvögeln weltweit sowie eine Vielzahl von Meeressäugern. Das Gebiet umfasst eine Fläche von knapp 673.000 Quadratkilometern, das hauptsächlich aus Wasser besteht. Imago Aus Russland hatten die Kirchen der Architekturschule von Pskow bei der diesjährigen Unesco-Sitzung Erfolg. Die Stätte umfasst Kirchen und Kathedralen sowie Klosteranlagen im historischen Zentrum der Stadt Pskow am Ufer der Welikaya im Nordwesten Russlands. Die Gebäude gehen bis in das 12. Jahrhundert zurück. Imago In Portugal freut man sich über zwei neue Gütesiegel. Der königliche Gebäudekomplex von Mafra (im Bild) nordwestlich von Lissabon wurde 1711 unter König Johann V. entworfen. Als Vorbild diente die Kunst des römischen und italienischen Barock. Das Heiligtum des Bom Jesus do Monte liegt auf der Anhöhe von Espinho, die sich über der Stadt Braga im Norden Portugals erhebt. Das Heiligtum entstand innerhalb von 600 Jahren und veranschaulicht die europäische Tradition der "Sacri Monti", der heiligen Berge. Imago Wir bleiben in der Nähe. Risco Caído liegt in einer weitläufigen Bergregion im Zentrum der Insel Gran Canaria. Die Kulturlandschaft umfasst die Höhlensiedlungen einer prähispanischen Inselkultur, die sich seit der Ankunft der Berber aus Nordafrika vor 2000 Jahren bis zur Ankunft der ersten Spanier im 15. Jahrhundert isoliert entwickelt hat. Imago Die Landschaft für die Zucht und Dressur von zeremoniellen Wagenpferden in der tschechischen Stadt Kladruby nad Labem hat es u.a. mit seiner einzigartigen Landschaft auf die Liste geschafft. Die als Wagenpferd gezüchtete Rasse der Altkladruber Pferde wurde bei Zeremonien am Habsburgischen Kaiserhof eingesetzt. Imago Die Hyrkanischen Wälder sind einzigartige Laubwälder, die sich über rund 850 Kilometer entlang der Südküste des Kaspischen Meeres erstrecken. Vor 25 bis 50 Millionen Jahren bedeckten sie den Großteil der Region. Wikipedia (gemeinfrei) Der Astronom Bernard Lovell war 1957 die treibende Kraft hinter der Errichtung des damals größten schwenkbaren Radioteleskops, dem Observatorium Jodrell Bank im Nordwesten Englands. Das auch heute noch in Betrieb befindliche Observatorium umfasst mehrere Radioteleskope und weitere Gebäude wie Lagerhallen und Kontrollräume. Imago Diese koreanische Stätte umfasst neun neokonfuzianische Privatakademien, die sogenannten Seowon, aus der Zeit der Joseon-Dynastie. Sie hatten den Zweck, Schüler auf die Beamtenprüfung vorzubereiten. Imago Auch acht Gebäude des US-Architekten Frank Lloyd Wright stehen nun auf der Liste. Wright (1867-1959) gilt als Genie der geometrischen Abstraktion des 20. Jahrhunderts. Seine Werke kamen auf die Liste, weil sie die moderne Architektur in Europa beeinflussten. Unter den Gebäuden sind unter anderem die Villa Fallingwater an einem kleinen Wasserfall in Mill Run (US-Bundesstaat Pennsylvania) und das Guggenheim-Museum in New York (im Bild). Getty Images (Fox Photos) Die Budj Bim National Heritage Landscape liegt bei Byaduk und Hamilton in Victoria, Australien. Das Lavagestein des Budj Bim-Vulkans ermöglichte es den Gunditjmara, einer Gruppe der Aborigines, eines der ältesten Aquakultursysteme der Welt zu errichten. Es ist die erste Stätte, die sich exklusiv mit dem kulturellen Erbe der australischen Aborigines beschäftigt. Instagram (budjbimtours) Die Historischen Stätten der Eisenverhüttung in Burkina Faso (Ronguin, Tiwega, Yamané, Kindbo, Békuy und Douroula) umfassen insgesamt 15 noch erhaltene Rennöfen, mehrere Ofenstrukturen, Minen sowie Spuren von Wohngebäuden in verschiedenen Provinzen des Landes. UNESCO (DSCPM/MCAT) Dilmun in Bahrain galt als Heimat der Unsterblichkeit, als Paradies mit Gärten und frischem Wasser, wo Alter und Krankheit unbekannt waren. Erst in den fünfziger Jahren haben Archäologen in Bahrain eine eigenständige Kultur entdeckt. Die Grabhügel von Dilmun wurden zwischen 2050 und 1750 vor Christus errichtet und umfassen 21 archäologische Stätten im Westen Bahrains. UNESCO (Think Heritage) Die Altstadt von Şəki (oder Schäki) liegt im Norden Aserbaidschans an den Ufern des Flusses Kiş. 1772 wurde das historische Stadtzentrum durch Überschwemmungen zerstört und im Anschluss wiedererrichtet. Imago Diese Kulturlandschaft und die Altstadt von Paraty, einer der am besten erhaltenen Küstenstädte Brasiliens, liegen zwischen den Bergen der Serra da Bocaina und dem Atlantischen Ozean. Der historische Kern des Zentrums von Paraty ist ebenso erhalten wie die Kolonialarchitektur aus dem 18. und dem frühen 19. Jahrhundert. Reuters Und mit diesem Neuzugang haben Tierschützer ihre Freude. Die Zugvogelschutzgebiete entlang der Küste des Gelben Meeres in China sind nun ebenfalls Teil der Unesco-Liste. Das Schutzgebietsnetzwerk ist ein wichtiger Rast- und Überwinterungsplatz für zahlreiche Zugvögel aus 22 Ländern. Imago Der Kohlenbergbau um die indonesische Stadt Sawahlunto wurde von der niederländischen Kolonialmacht gegründet. Sie beutete die Kohlelagerstätte zwischen dem Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts aus. Hier im Bild: Lubang Mbah Suro Sawahlunto Tourism Auf diesem Plateau über der Ebene von Osaka zeigt die Kofun-Gruppe von Mozu-Furuichi 49 Hügelgräber in markanter Form, einst angelegt für die Elite der Gesellschaft. Imago Im Milk River Tal in der kanadischen Provinz Alberta im Norden der Great Plains prägen uralte, verwitterte Sandsteinsäulen die Landschaft. Hier hinterließen die Siksikáítsitapi, die auch als Blackfoot bekannt sind, Gravuren und Malereien auf Sandsteinwänden. Imago Mehr als 2100 tonnenschwere megalithische Krüge haben der "Ebene der Steinkrüge" in Zentrallaos ihren Namen gegeben. Imago Die Montanregion Krzemionki liegt im Heiligkreuzgebirge im Südosten Polens und beherbergt vier jungsteinzeitliche und bronzezeitliche Abbaugebiete für die Gewinnung von Feuerstein. Imago Der in Nordmazedonien gelegene Teil des Ohridsees und die gleichnamige Stadt stehen seit 1979 auf der Liste. Mit der Erweiterung umfasst das Gebiet nun auch den albanischen Teil des Ohridsees, die kleine Halbinsel Lin, die Quellen im Park von Drillon und einen Uferabschnitt an der nordmazedonischen Grenze. Imago Die neuen Welterbe-Stätten ("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2019)
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