Das Singen der Vögel ist (fast) eine Sprache

Symbolbild - Auch der Spatz ist ein Sperlingsvogel.
Symbolbild - Auch der Spatz ist ein Sperlingsvogel. (c) imago images / blickwinkel (McPHOTO/R. Mueller)
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Menschliche Sprache kombiniert sinnlose Laute zu sinnvollen Wörtern. Dass auch tierische Kommunikation so funktioniert, ließ sich nun erstmals bei Sperlingen nachweisen.

Eine Maus ist keine Laus. Dabei unterscheiden sie sich als Wörter nur im ersten Buchstaben. „M“ und „L“ haben für sich genommen gar keine Bedeutung. So funktioniert menschliche Sprache: Wir kombinieren sinnlose Laute zu sinnvollen Wörtern und Sätzen. Ob das auch bei Tieren so ist, war bisher umstritten. Nun konnte erstmals ein Forscherteam unter der Ägide von Sabrina Engesser von der Universität Zürich zeigen (in Pnas, 9.9.): Eine australische Sperlingsart teilt sich im Prinzip genauso mit – und damit wohl auch viele andere Tierarten.

Der Rotscheitelsäbler bot sich für die Lösung des Rätsels gut an: Er ist ein geselliger Vogel mit einem engen und einfachen Repertoire an Ausdrucksformen. Um seinen gefiederten Gefährten etwas mitzuteilen, verwendet er 18 Kombinationen von Lauten, wobei – anders als beim Menschen – die einzelnen Laute immer Pausen trennen. Das bahnbrechende Experiment funktionierte so: Die Forscher fingen wild lebende Sperlinge ein und hielten sie für einige Stunden in einer Metall-Voliere mit zwei Fenstern und einem Nest in einer Ecke. Von einer früheren Studie wusste man: Bei der Lautfolge „Seht mal her, ich starte oder lande“, die den Schwarm koordiniert, kommt Bewegung in die Gruppe und viele schauen aus dem Käfig raus, in Erwartung eines anfliegenden Artgenossen. Bei „Hallo Kinder, ich hab euch was zum Essen gebracht“ gehen die Blicke in Richtung Nest. Der „Flugruf“ besteht aus zwei Teilen, der „Futterruf“ aus drei.

Keine Reaktion auf Einzellaute

Der Trick bestand nun darin, nur einzelne aufgenommene Teile vorzuspielen. Nehmen die Vögel die insgesamt fünf Elemente als unterschiedliche Laute wahr? (ob wir Menschen es tun, ist irrelevant). Das lässt sich testen: Man spielt ihnen das gleiche Element 20 Mal hintereinander vor. Anfangs schauen sie noch in Richtung Lautsprecher, dann nicht mehr – sie haben sich daran gewöhnt. Folgt danach ein anderes Element und sie horchen wieder hin, merken sie offenbar einen Unterschied. So ließ sich zeigen: Der Flugruf hat die Struktur „A-B“, der Futterruf „B-A-B“. Das Entscheidende aber war: Die maximale Reaktion auf die Einzellaute A und B war, zur Schallquelle hinzuschauen. Kein Flattern, kein Blick nach außen oder zum Nest. Damit ist bewiesen: Die Laute sind reine Bausteine, die erst in einer bestimmten Kombination etwas bedeuten.

Es ist hoch wahrscheinlich, dass die Rotscheitelsäbler keine Ausnahme sind und viele Arten sprachähnlich kommunizieren. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Wir nutzen Sprache produktiv, kombinieren Wörter immer neu, in unendlicher Variation. Tiere verwenden nur wenige, fixe Blöcke aus Lauten, die dann Signalwirkung haben. Ganz ähnlich stellen sich Linguisten auch frühe Formen menschlicher Kommunikation vor. Irgendwann ist sich der Homo Sapiens seiner Fähigkeit zur Kombination bewusst geworden – die Sprache war geboren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2019)

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