Verhandlung gegen den österreichischen Aktivisten hätte schon im April stattfinden sollen. Am Mittwoch war der Jahrestag seiner Festnahme.
Ein Gericht in Ankara hat Max Zirngast am Jahrestag seiner Festnahme wegen des Vorwurfs des Terrorismus überraschend freigesprochen. „Freispruch für alle“, twitterte der Steirer in Anspielung auf seine Mitangeklagten. Experten kritisierten das Verfahren als Farce. Der während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft festgenommene Steirer galt als "politische Geisel" des Erdogan-Regimes.
Die Hauptverhandlung hätte eigentlich schon am 11. April stattfinden sollen, doch wurde sie vertagt. Dem Politikwissenschaftsstudenten und Journalisten wurde Terrorpropaganda vorgeworfen, nachdem er in linken Medien kritisch über das türkische Regime unter Präsident Recep Tayyip Erdogan berichtet hatte. Die Türkei hatte ihn zu Weihnachten auf freien Fuß gesetzt, zugleich aber ein Ausreiseverbot gegen ihn verhängt.
Im Vorfeld der Verhandlung, zu der auch zwei Prozessbeobachter aus Wien angereist sind, zeigte sich Zirngast entspannt. "Es gibt keine Vorwürfe gegen ihn, die eine Verurteilung tragen könnten", sagte der Präsident des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Friedrich Forsthuber.
Der Freispruch von Max Zirngast sei noch nicht rechtskräftig, teilte indessen sein Rechtsanwalt Clemens Lahner mit. „"Theoretisch" könne nämlich noch die türkische Oberstaatsanwaltschaft innerhalb einer Frist von sieben Tagen gegen die Entscheidung berufen. "Wir gehen aber davon aus, dass sich der Staatsanwalt vorher das Okay geholt hat", sagte der Prozessbeobachter.
Siebentägige Frist
Zirngast könne somit auch erst nach Verstreichen der siebentägigen Frist die Türkei verlassen, so Lahner. Für die Angeklagten und ihre Familien sei die Entscheidung "eine große Erleichterung", sagte der Rechtsanwalt. Aus juristischer Sicht sei die Verhandlung am Mittwoch aber "ein Moment, wo sichtbar wird, was für eine Farce die türkische Justiz ist". Schließlich sei das Verfahren im April um sechs Monate vertagt worden. "Jetzt, bei identischem Informationsstand, gibt es einen Freispruch. Es ist ein Witz."
Die Verhandlung sei "sehr kurz" gewesen. "Der Staatsanwalt hat zu unserer Überraschung sein Schlussplädoyer gehalten", berichtete Lahner. Darin habe er berichtet, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die vier Angeklagten Mitglied in einer Terrororganisation seien, und den Freispruch beantragt.
Zirngast und seine Unterstützer hatten im Vorfeld der Verhandlung lediglich die Hoffnung auf ein Ende des Ausreiseverbots aus der Türkei geäußert und sich auf eine weitere Vertagung eingestellt. "Es wird nicht passieren", sagte Zirngast noch am Montag in einem Videogespräch aus Ankara auf die Frage, ob er freigesprochen würde.
„Stille Diplomatie"
Auf die Frage nach den Gründen für die Gerichtsentscheidung sagte Lahner, dass es in diesem Verfahren keine Verurteilung hätte geben können. Bei der fraglichen Terrororganisation stamme nämlich "das letzte Lebenszeichen aus den 1990er Jahren". "Daher musste es ein Freispruch werden." Es sei auch möglich, dass "die stille Diplomatie etwas bewirkt" habe oder es einen Zusammenhang mit der für das Regime von Präsident Recep Tayyip Erdogan schwierigen innenpolitischen Situation gebe. Das Regime könnte auch zum Schluss gelangt sein, dass das Verfahren schon lang genug gewesen sei, um "eine Message an alle" Regimekritiker zu senden.