Erfolg International

Harald Ott: Wenn aus kranken Herzen gesunde wachsen

(c) Daniel Novotny
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Erfolg International. Der Tiroler Harald Ott lässt aus Stammzellen neue Körperteile wachsen. Was bei Tieren teils schon funktioniert, könnte bald Menschenleben retten.

Experimente mit Kadavern, um Leben zu verbessern oder neues zu schaffen: Die Idee faszinierte Mary Shelley 1818 derart, dass sie daraus die Geschichte von Victor Frankenstein ersann – einem Mann, der einen künstlichen Menschen schuf. Die Erzählung ist Harald Ott bestens bekannt – unfreiwillig. „Ich möchte Menschen, deren Organe versagen, wieder ein lebenswertes Leben ermöglichen“, sagt der Herz-Thorax-Chirurg. Vor allem: ihr Überleben sicherstellen. „Das ist nicht das, worum es im Roman geht, trotzdem höre ich immer wieder den Spitznamen Doktor Frankenstein, soll so sein.“

Tatsächlich ist die Liste an Patienten, die auf Spendernieren, -lungen oder -herzen warten, weit länger als jene der verfügbaren Organe. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, weshalb es sich Ott zur Aufgabe gemacht hat, nachzuhelfen. Der gebürtige Innsbrucker lehrt an der Harvard University in Boston nicht nur die Beschaffenheit von natürlichen Organen, sondern leitet auch das Zentrum für Organ Engineering, wo es darum geht, künstliche Versionen davon zu erschaffen und massentauglich zu machen.

„Neue" Organe für Patienten

Dazu bedient er sich der „Perfusions-Dezellulisierung“, die er 2008 entwickelt hat. Es ist ein Verfahren, bei dem Zellen mit einer Seifenlösung aus kranken Herzen gespült werden. Das verbleibende Gerüst werde mit gesunden Zellen neu besiedelt und den Versuchstieren wieder eingesetzt, sagt der Mediziner, der bei der Wahl der Österreicher des Jahres 2019 in der Kategorie Erfolg International nominiert ist. Mehrere Hundert Ratten leben bereits mit „neuen“ Herzen, Lungen, Nieren, Bauchspeicheldrüsen oder einem Darm. Aktuell werden Versuche mit Schweinen durchgeführt.

„Noch haben wir ein paar Hürden zu nehmen, aber ich hoffe, dass wir in zehn Jahren für jeden Menschen das nötige Organ auf Abruf herstellen können“, sagt Ott. Konkret: „Dass er zu uns kommt und wir aus seinen Stammzellen oder Spenderzellen binnen drei Monaten das richtige heranzüchten und ihm einsetzen können.“

Spätestens dann wird der verheiratete Vater dreier Kinder den Frankenstein-Vergleich wieder hören, teilt er sich mit ihm doch das manuelle Geschick. „Mein Vater machte Steinbildhauerei“, sagt er. „Als Kind habe ich mir Steine aus der Werkstatt genommen und mich daran versucht.“ So entstanden Figuren aus Stein, Bronze und Stahl. Auch abstrakte Drucke fertigte er an – und nahm einige mit, als er nach dem Medizinstudium und einer dreijährigen Assistenzarzttätigkeit in Innsbruck als Postdoktorand an die Universität von Minnesota ging.

Es folgten eine Chirurgieausbildung in Harvard, ein eigenes Labor, die Anstellung am Massachusetts General Hospital und der Erhalt eines Lehrstuhls für Organregeneration. Nebenbei gründete Ott ein Start-up, das sich der Herstellung einer künstlichen Matrix von Nieren und Bauchspeicheldrüse widmet. „Ich lasse gern Dinge wachsen“, sagt er. „Das ist auch der Grund, weshalb mich Orchideen so bezaubern – aus dem scheinbaren Nichts wird Neues geboren.“


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