Shopping Center: „Passanten sind noch keine Kunden“

Wiener Hauptbahnhof: Die Geschäfte an diesem wie auch anderen Verkehrsknotenpunkten sind keine Selbstläufer.
Wiener Hauptbahnhof: Die Geschäfte an diesem wie auch anderen Verkehrsknotenpunkten sind keine Selbstläufer. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Boom ist vorbei. Einkaufszentren an Bahnhöfen oder Flughäfen dürfen laut Experten dennoch zuversichtlich sein – unter bestimmten Voraussetzungen.

„Leicht ist es nicht“, seufzt der Geschäftsführer eines Shops auf dem Wiener Hauptbahnhof, wenn man ihn nach dem Geschäftsgang fragt. Rund 150.000 Menschen passieren tagtäglich den Verkehrsknotenpunkt, doch viele, so klagt er, laufen vom Zug direkt zur U-Bahn oder umgekehrt. Dennoch: Ohne Einkaufszentrum kommt heutzutage kein größerer Bahnhof und auch kein Flughafen aus. Bei Ausbauprojekten wird stets eine Erweiterung des Einkaufsbereiches mitgeplant. So aktuell beim Vienna Airport, wo die bis 2023 fertig zu stellende Verbindung zum Terminal 3 rund 70.000 Quadratmeter an Aufenthalts-, Shopping- und Gastronomieflächen vorsieht. Und auf dem Airport Klagenfurt soll eine komplette „Aviation City“ entstehen, ebenfalls mit einem großzügigen Einkaufsbereich.

Servicegedanke zentral

Mario Schweiger, Experte für Gewerbeimmobilien beim Berater EHL, weiß: „Der Shopping-Center-Boom ist in Österreich vorbei.“ Für die ÖBB gehört der Shoppingbereich bei großen Stationen wie dem Westbahnhof, beim kürzlich neu gestalteten Bahnhof Linz oder in Graz trotzdem einfach dazu. „Der Dienstleistungs- und Servicegedanke steht im Vordergrund, um den Bahnkunden den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten“, sagt ÖBB-Sprecher Daniel Pinka. Ob sich das auch für die Inhaber der Geschäfte lohnt, hängt von vielen Faktoren ab, so Roman Schwarzenecker, Experte beim Beratungsunternehmen Standort + Markt und zugleich Generalsekretär der Österreichischen Fachvereinigung für Einkaufszentren. Die Kundenfrequenz allein sei kein Garant: „Passanten sind noch lang keine Kunden.“ Viel hänge von der Branche ab, gut gehen in erster Linie Lebensmittelläden.

Einer der Nutznießer ist Interspar. „Wir sind an zahlreichen Bahnhöfen und Flughäfen präsent und bieten dort ein spezielles Sortiment an“, sagt Sprecher Lukas Wiesmüller. „An diesen Standorten haben wir mehr frische Ware und mehr to-go als anderswo.“ Besonders profitiere man von den Sonderöffnungszeiten. „Die Möglichkeit, bis spätabends und sogar an Wochenenden einkaufen zu gehen, wird nicht nur von Reisenden, sondern vor allem von der in der Umgebung wohnenden Bevölkerung gern in Anspruch genommen.“

Zugpferd Lebensmittel

Schwarzenecker wiederum warnt vor falschen Erwartungen: „Es besteht ein Unterschied dazwischen, schnell eine Jause zu kaufen und shoppen zu gehen.“ Dinge des täglichen Bedarfs würden zwar gern mitgenommen, andere Branchen hätten es jedoch schwerer. „Textil zum Beispiel geht allgemein nicht gut“, beobachtet Schweiger und verweist auf eine Modekette, die ihren Standort in der Wiener Bahnhof City vor wenigen Wochen wegen Insolvenz schließen musste. Für manche internationale Marken, vor allem im Luxussegment, stehe der Gewinn aber gar nicht so sehr im Vordergrund, meint der Experte. „Für sie ist die Präsenz an solchen Knotenpunkten oft ein Marketing-Tool, damit sie gesehen werden. Die Frage ist eben nur, wie lang sie sich die teils hohen Mieten leisten können.“ Ein Shopping Center an Verkehrsknotenpunkten funktioniert jedenfalls gut, wenn es auch Branchen außerhalb des Lebensmittelhandels gelingt, für Reisende wie für Einheimische attraktiv zu sein, sind sich die Experten einig. Dazu braucht es „mehr als nur einen Leitbetrieb“ und vor allem ein „lustbetontes Shopping-Erlebnis“, betont Schwarzenecker. „Gerade der boomende zehnte Bezirk rund um den Wiener Hauptbahnhof bietet da viel Potenzial“, ergänzt Schweiger.

Ausweg Gastronomie

Was einen Mehrwert biete, seien beispielsweise Gastro-Bereiche. Das Einkaufszentrum The Mall in Wien Mitte, am Kreuzungspunkt zweier U-Bahn-Linien und des City Airport Train, ist österreichweit eines der Einkaufszentren mit dem höchsten Gastro-Anteil. Es führt „die Premium-Gastronomie zu moderaten Preisen“ als einen seiner Erfolgsfaktoren an und wurde von Standort + Markt im Jahr 2017 als bestes Shopping Center Österreichs ausgezeichnet. Auch beim Ausbau des Vienna Airport soll ein Schwerpunkt auf der Kulinarik liegen, wobei man auf österreichische Kost, als Ergänzung zu lokalen Marken im Shopping-Bereich, setzt. Die Ausschreibungen werden Anfang kommenden Jahres erfolgen, erklären die Flughafen-Vorstände Julian Jäger und Günther Ofner. Ähnliches ist für die Aviation City in Klagenfurt geplant. „Die angestrebten 230.000 Fluggäste pro Jahr rechtfertigen kein riesiges Shopping Center, aber neben Gemischtwaren und Reisebedarf wird es sicher eine Aufwertung durch Gastronomie-Einrichtungen geben“, sagt Sprecher Alexander Khaelss-Khaelssberg.

Ein Hoffnungsschimmer bleibt auch dem Geschäftsführer des Shops auf dem Wiener Hauptbahnhof: „Seit der vollen Inbetriebnahme und der letzten Fahrplanumstellung, seit mehr Züge ankommen, ist es schon ein wenig besser geworden.“ Rund 1100 Züge halten jetzt pro Tag. Für den Geschäftsleiter eines internationalen Markenunternehmens, der sich dort einmieten wollte, war das laut Schweiger zu wenig: Er zog es letztlich vor, auf dem Hauptbahnhof in München zu eröffnen.

Info

Österreich liegt unter den Top drei Europas, was die Dichte an Einkaufszentren betrifft. Laut RegioData-Zählung kommen auf 100 Einwohner rund 36 Quadratmeter Shoppingcenter-Verkaufsfläche. Damit scheint der Markt gesättigt, im Vergleich zu früheren Jahren kommen kaum neue Verkaufsflächen hinzu. „Der Trend geht eher in Richtung Fachmarkt“, sagt Mario Schweiger vom Beratungsunternehmen EHL.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2019)

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