Umstritten

Statue von Sowjet-Marschall Konew in Prag wird abgebaut

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Nach Protesten gegen den Heerführer, der 1945 Böhmen erobert, später sowjetische Truppen, aber auch etwa gegen ungarische Aufständische geführt hatte, wird sein Standbild verlegt. Stattdessen soll ein "Denkmal der Befreiung" entstehen. Moskau ist verärgert.

Die umstrittene Statue des sowjetischen Feldmarschalls Iwan Konew (1897-1973) in Prag wird beseitigt - stattdessen wird an deren Stelle ein "Denkmal der Befreiung der Hauptstadt" gebaut. Nach Medienberichten vom Freitag hat dies die Vertretung des sechsten Prager Bezirkes, wo die Statue steht, beschlossen.

Die Statue des Heerführers, dessen Truppen im Frühjahr 1945 am Ende des Krieges an der Befreiung unter anderem Böhmens und Prags von deutscher Besatzung beteiligt gewesen waren, hatte in den vergangenen Tagen jäh für heftige Fehden zwischen Kritikern und Fans Konews sowie zwischen Tschechien und Russland gesorgt. Die Statue war bereits früher Ziel von Vandalenakten gewesen. Ende August erst wurde sie mit roter Farbe und Aufschriften beschmiert, die Konews Beteiligung als Oberkommandant der Warschauer-Pakt-Truppen an der Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes 1956, der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 sowie seine Beteiligung am Bau der Berliner Mauer 1961 als Oberkommandant der Sowjet-Truppen in Ostdeutschland thematisierten.

Besonders heftig krachte es zwischen Prag und Moskau, nachdem der russische Kulturminister, Wladimir Medinskij, den Bürgermeister des 6. Prager Bezirks, Ondrej Kolar, der auch zu den Kritikern Konews zählt, mit dem nazideutschen Begriff "Gauleiter" bezeichnet hatte.

Die russische Botschaft in Prag protestierte gegen den Abbau der Statue und bezeichnete den Beschluss der Stadtbezirksvertretung als "ungeheuerlich". Die Figur werde auf eine "andere, würdige Stelle" verlagert werden, hieß es ungeachtet dessen seitens der Behörden in Prag. Im Gespräch ist der Friedhof der sowjetischen Soldaten im dritten Prager Bezirk. Für den Aufbau des neuen Denkmals werde ein künstlerisches Auswahlverfahren ausgeschrieben.

Typus des knallharten Sowjetoffiziers

Konew (er wird im Westen oft auch „Konjew" geschrieben) stammte aus Wologda im gleichnamigen Gouvernement nordöstlich von Moskau und verkörperte den Typus des grobschlächtigen, polternden und rauen Sowjet-Offiziers, der seine Truppen nicht schonte, sogar bisweilen rücksichtslos verheizte und ein überaus strenges disziplinäres Regiment führte, bei Übergriffen auf Zivilisten oder Gefangene aber gern wegsah. Er war einer der Lieblingsoffiziere Stalins. Seine Fähigkeiten etwa beim Tarnen und Täuschen des Gegners, beim Führen überraschender Blitzattacken und der Aufrechterhaltung des Nachschubs sind indes unbestritten.

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Konew meldete sich 1916 freiwillig in die zaristische Armee und kämpfte in einer Artillerieeinheit in Galizien, wechselte nach der Oktoberrevolution 1917 aber in die Rote Armee der Bolschewisten und wurde dort Politkommissar. Als solcher agierte er im Russischen Bürgerkrieg 1918 bis 1920 unter anderem im Rahmen einer Infanteriebrigade und bei der Fernostarmee.

Nach Kommandeursposten bei diversen Infanterieregimentern und -Divisionen, als Chef eines Schützenkorps in der verbündeten Mongolei sowie der 2. Armee im Militärbezirk Fernost hatte er kurz vor Beginn des deutsch geführten Angriffs auf die Sowjetunion im Juni 1941 als Generalleutnant das Kommando über die 19. Armee im Südwesten Russlands inne. Sie wurde nach Kriegsausbruch in den Raum des östlichen Weißrusslands vorgeschoben und focht dort sowie im Raum Smolensk auf russischem Gebiet einige gute Abwehrkämpfe.

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Im September 1941 übernahm er das Kommando der Armeegruppe der „Westfront" im Raum vor Moskau und nahm damit im Winter an der erfolgreichen Abwehrschlacht und Gegenoffensive vor der Hauptstadt teil, nach der die Front dort für lange Zeit zum Stillstand kam.

Entscheidendes Eingreifen in die Schlacht bei Kursk 1943

Nach weiteren Verwendungen als Fronten-Führer stand Konew im Sommer 1943 an der Spitze der „Steppenfront", die als Reserve in die gewaltige Schlacht im Kursker Bogen eingriff, als diese sich gerade zu Gunsten der Deutschen zu neigen begann.

Seine Panzereinheiten krachten am Südflügel des Kampfraums mit der deutschen 4. Panzerarmee zusammen - Stichwort Prochorowka - und erlitten horrende Verluste, aber sie raubten dem deutschen Angriff so die letzte Kraft und er musste auch wegen des übereilten Abzugs einiger deutscher Divisionen nach Italien eingestellt werden.

Im August 1943 wurde Konew Armeegeneral, seine Front wurde im Oktober in „2. Ukrainische Front" umbenannt und rückte durch die nördliche Ukraine nach Westen vor.

mil.ru/CC BY 4.0

Nach der Beförderung zum Marschall der Sowjetunion Anfang 1944 übernahm Konew im Mai die 1. Ukrainische Front, eroberte unter anderem Lemberg, brach nach Süd- und Mittelpolen und Schlesien durch. Seine Truppen fanden Ende Jänner 1945 das Konzentrationslager Auschwitz samt seinen letzten Überlebenden.

Er eröffnete im April von Südosten her die Endoffensive auf Berlin, aber der Großteil der Stadt wurde von Osten her von der 1. Weißrussischen Front seines Rivalen Marschall Georgi Schukow genommen. Daraufhin wandte er die Masse seiner Front nach Süden und nahm vor allem Böhmen, wo sich noch einige intakte deutsche Divisionen befanden, die versuchten, sich nach Westen zu Amerikanern durchzuschlagen. Am 9. Mai 1945 wurde Prag erobert.

Karel Hájek / CC BY-SA 3.0

Nach dem Krieg führte Konew zunächst die sowjetischen Truppen in Ostdeutschland, Österreich und Ungarn und war Alliierter Hochkommissar für Österreich, wurde aber bald auf Posten in Moskau und im Hinterland abberufen. 1955 bis 1960 war er Oberkommandierender der Streitkräfte des Warschauer Pakts und 1961/1962, am Höhepunkt der Krise um Berlin, wieder Chef der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. 1963 wurde er zum Chefinspektor des Verteidigungsministeriums ernannt, eine weitgehende Ehrenfunktion.

„Wir ließen die Kosaken hineinhacken"

Von seiner Härte und Brutalität zeugen auch allerhand Berichte. So brüstete er sich nach der fürchterlichen Kesselschlacht bei Korsun nahe Kiew in der Zentralukraine im Jänner/Februar 1944 damit, dass seine Kavallerieeinheiten, namentlich Kosaken, entkräftete deutsche Soldaten und Gefangene zu Tausenden umgebracht hätten. „Wir ließen die Kosaken hineinhacken, so lange sie wollten. Die haben sogar Männern die Hände abgehackt, die sie hochgehalten hatten, weil sie sich ergaben", soll Konew lächelnd erzählt haben.

(WG/apa)

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