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Digitale Revolution in der Immobilienbranche

Digitale Revolution in der Immobilienbranche
Digitale Revolution in der Immobilienbranche(c) Getty Images/iStockphoto (Kritchanut)
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Österreichische Start-ups geben mit innovativen Ideen die Richtung vor, stoßen dabei aber mitunter noch auf Widerstand.

Wohnen, ohne dafür Miete zahlen zu müssen – so könnte die Welt von morgen aussehen, „wenn die umfassende Digitalisierung die Immobilienbranche auf den Kopf stellt“, wie Julia Arlt es formuliert. Sie ist Realitätenexpertin beim Unternehmensberater PwC und Vorkämpferin für den Einzug moderner Technologien in eine Branche, die gemeinhin als eher traditionsverhaftet gilt. Wie die mietenlose Zukunft funktionieren soll? „Digitale Lösungen werden es erlauben, dass Hausbesitzer und -verwalter andere Dienste anbieten und daraus Einnahmen erzielen, um nicht auf Mieten angewiesen zu sein.“

Starker Aufholprozess

Um der Verwirklichung dieser Ideen einen Schritt näher zu kommen, hat Arlt die „Austrian Proptech Initiative“ (APTI) gegründet, die rund 60 Start-ups, Entscheidungsträger der Immobilienwirtschaft, Forschungseinrichtungen und Investoren vereint. Ziel: die Innovationsfreude der Start-ups für einen Digitalisierungsschub im Immobiliengeschäft zu nutzen. Am 7. November haben die Motoren dieser Entwicklung die Möglichkeit, die neuesten Trends bei der Proptech Vienna 2019 in den Sofiensälen, der dritten Auflage dieses Innovationskongresses, zu präsentieren (siehe Kasten).

Derzeit rangiere Österreich auf einem der hintersten Plätze in Europa, was die Durchdringung der Immobilienbranche mit zukunftsweisenden Technologien betrifft, beklagt Arlt. Doch „jetzt kommt die Digitalisierung geballt daher“, sieht Milan Zahradnik die Bemühungen, das zu ändern, von Erfolgsansätzen gekrönt. Zahradnik ist Geschäftsführer des Start-ups Propster, das ein Tool zur leichteren Erfüllung von Sonderwünschen bei Haus- und Wohnungskäufen entworfen hat. Grundrissänderungen lassen sich ebenso automatisiert abwickeln wie die Wahl von Bodenbelägen oder Badezimmerarmaturen.

Ähnlich erfolgreich hat iDWell eine Software zur Automatisierung von Routineabläufen in der Hausverwaltung platziert. Mit ihr gewann das Wiener Start-up den heuer erstmals vergebenen APTI Award. „Die Anwendung reduziert den Kommunikationsaufwand zwischen allen Beteiligten im Immobilienmanagement“, erläutert der Geschäftsführer, Alexander Roth. Benötigt ein Mieter beispielsweise einen Handwerker für eine Reparatur, wird dieser über die App organisiert. „Unsere Lösung erspart Anrufe und E-Mails, verbessert das Service und erhöht die Kundenzufriedenheit.“ Das sind zwei Beispiele für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten digitaler Anwendungen, die von Asset Management und Bauwerksdatenmodellierung über die Hausverwaltung bis zur Raumplanung oder zur Optimierung von Arbeiten direkt auf der Baustelle reichen.

Berührungsängste abbauen

Europaweit bieten mittlerweile mehr als 1500 Start-ups unterschiedlichste Lösungen an. „Für die Immobilienunternehmen ist es da schwierig, den Durchblick zu haben“, sieht Zahradnik ein Hindernis für eine raschere Digitalisierung. Auch Markus Schafferer, der mit seiner Schafferer Holding in Proptech-Start-ups investiert und Hauptsponsor des APTI Award ist, sieht die Vielzahl der Ansätze nicht als optimal: „Die einzelnen Anwendungsfelder werden in Zukunft noch stärker verknüpft werden, anstatt Insellösungen darzustellen.“

In der Branche gebe es jedoch noch Berührungsängste, erklärt Julia Arlt: „Digitale Tools definieren oftmals Arbeitsprozesse im Unternehmen, notfalls müssen daher die traditionellen Prozesse geändert werden. Davor scheuen manche zurück.“ Und Zahradnik ergänzt: „Viele Unternehmer halten an ihren festgefahrenen Arbeitsvorgängen fest, für sie gibt es seit Jahrzehnten bestenfalls Excel.“

Was es für eine breite Akzeptanz von digitalen Lösungen braucht, sei eine gelebte Innovationskultur in den Immobilienunternehmen, sagt Arlt: „Die Führungskräfte müssen dahinterstehen, Gelder bereitgestellt werden. Der IT-Verantwortliche darf nicht nur dazu da sein, eine Maus zu bestellen, sondern muss die Möglichkeit haben, neue Tools auszuprobieren. Es braucht einen eigenen Innovationsverantwortlichen.“

Aber auch die Start-ups sind gefordert. Denn Kreativität und technisches Know-how allein genügen nicht. „Sie müssen Real-Estate-Kenntnisse vorweisen“, fordert Arlt, die sich ein Mentoring durch Immobilienexperten vorstellen kann. Die Immobilienbranche würde durch einen Digitalisierungsschub mit verzahnten Applikationen eine Standardisierung und Automatisierung komplexer Abläufe erreichen, damit an Effektivität gewinnen, Kosten sparen und vielleicht sogar tatsächlich das Wohnen ohne Mietenzahlungen ermöglichen.

Alexander Roth von iDWell ist überzeugt, dass nicht nur die Branche selbst profitieren wird. „Auch der vertikale Markt – zum Beispiel lokale Dienstleister, deren Angebote über Immo-Anwendungen angefordert werden können – gehört zu den Nutznießern.“ Markus Schafferer bremst allzu hohe Erwartungen jedoch ein: „Trotz aller Vorteile moderner Technologien wird das Immobiliengeschäft immer eine Branche sein, die von der Qualität der zwischenmenschlichen Kommunikation lebt. Das kann die Digitalisierung nicht ersetzen.“

AUF EINEN BLICK

„Proptech“ steht für „Property Technology“ (Immobilientechnologie) und bezeichnet den digitalen Wandel der Immobilienbranche sowie innovative Unternehmen, die durch ihre Produkte und Dienstleistungen zu diesem Wandel beitragen. Vor allem Start-ups sind an diesem Prozess beteiligt, der nicht nur die Immobilienwirtschaft selbst, sondern auch den vertikalen Markt betrifft.

Tipp: Am 7. November findet das internationale Treffen Proptech Vienna 2019 in den Wiener Sofiensälen statt.www.proptechvienna.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2019)

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