Richtiger Wandel

Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind unumgänglich. Aber nicht richtig gemachte können den am stärksten gefährdeten Menschen sogar schaden.

Die globale Erwärmung schreitet voran. Unabhängig davon, ob es gelingen wird, den Klimawandel zu verlangsamen, ist es jetzt schon unumgänglich, dass sich die Menschheit daran anpasst. Laut einem diese Woche veröffentlichten UNO-Bericht drohen in manchen Regionen Ernteverluste um ein Drittel, sind mehr als 100 Millionen Menschen durch die Folgen des Klimawandels armutsgefährdet, weiteren 100 Millionen steht eine Umsiedlung aus tiefgelegenen Küstengebieten und noch viel mehr Menschen eine Verknappung von Trinkwasser bevor.

Es sei ein menschlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Imperativ, die Anpassungsmaßnahmen zu verstärken, heißt es in dem Bericht. Und wie vorgerechnet wird, ist das auch wirtschaftlich lukrativ: Würden im kommenden Jahrzehnt 1,9 Billionen Dollar in die Bereiche Landwirtschaft, Infrastruktur, Wasserversorgung, Frühwarnsysteme und Schutz der Mangrovenwälder investiert, brächte das einen Nettonutzen von 7,1 Billionen Dollar, so die UNO.

Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Mittel für die Klimawandel-Anpassung richtig eingesetzt werden. Denn wie die beiden US-Forscher Kimberley Thomas und Benjamin Warner warnen, können unüberlegte Maßnahmen dazu führen, dass die Bedrohungen für die am stärksten betroffenen Menschen – typischerweise sozial niedrige Schichten – nicht kleiner, sondern sogar noch größer werden (Global Environmental Change 57, 101928). Als Beispiele dafür nennen sie Hanoi oder Lagos, wo Viertel, in denen wohlhabende Menschen wohnen, effektiv vor Überflutungen geschützt werden; wegen der dadurch veränderten hydrologischen Verhältnisse habe sich aber die Überschwemmungsgefahr in ärmeren Stadtvierteln erhöht.

Einen ähnlichen Effekt hat ein Trend, der etwa in Miami zu beobachten ist: Reichere Menschen ziehen vermehrt in höher gelegene Stadtteile; daher wird Wohnen dort teurer, sodass ärmere Menschen in niedriger gelegene Stadtteile gezwungen werden.

Als besonders perfide sehen die beiden Forscher an, dass vom Klimawandel bedrohte Menschen immer öfter zu einer Bedrohung für die Sicherheit uminterpretiert werden. Das sei etwa in Australien oder in den USA unübersehbar. Die Folge dieser Rhetorik sei, dass der Fokus nicht auf der Beseitigung der Ursachen für Migrationsbewegungen liegt, sondern auf der Abwehr der betroffenen Menschen. Das ist mit Sicherheit keine langfristig zielführende Anpassung an den Klimawandel.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazin“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2019)

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