Roglič gewinnt Vuelta: Sloweniens Überflieger auf dem Rad

Primož Roglič stößt mit Kollegen in Madrid an
Primož Roglič stößt mit Kollegen in Madrid an(c) APA/AFP/OSCAR DEL POZO (OSCAR DEL POZO)
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Ex-Skispringer Primož Roglič krönte seine noch junge Zweiradkarriere mit dem Sieg bei der Vuelta. Der Slowene, 29, ließ sich selbst von Stürzen nicht bremsen und hat große Ziele.

Madrid/Wien. Ein ganz besonderes Stück Radsportgeschichte hat Primož Roglič am Sonntagabend in Madrid geschrieben. Sieben Jahre nachdem er Skisprungski gegen Rennrad getauscht hatte, fuhr er im Roten Trikot ins Ziel auf der Plaza de Cibeles und feierte damit den größten Triumph seiner zweiten Sportkarriere. Die 74. Auflage der Vuelta a España endete erstmals mit einem slowenischen Gesamtsieg – zugleich der erste überhaupt für das Land bei einer der drei großen Rundfahrten. Hermann Pernsteiner zeigte als 15. auf.

„Es war sicher nicht die leichteste Vuelta. Aber ich hatte ein starkes Team um mich“, erklärte Roglič. Die letzten 106,6 km bis in die spanische Hauptstadt waren für ihn eine Genussfahrt, denn traditionell wird der Gesamtführende auf dem letzten Teilstück nicht mehr attackiert. Im Lauf der vergangenen drei Wochen zeigte der 29-Jährige vom Jumbo-Visma-Team keine großen Emotionen, wenngleich er gestand: „Im Geheimen habe ich oft gelächelt.“

Begonnen hatte die Rundfahrt für Roglič mit einem Sturz im Teamzeitfahren eher katastrophal. Doch davon ließ er sich ebenso wenig aus der Ruhe bringen, wie zuletzt auf der 18. Etappe am Freitag, als er in einen Massencrash verwickelt wurde und das rivalisierende Movistar-Team entgegen aller Radsportmanieren prompt das Tempo anzog. Zumindest nach außen hin zeigte sich der Slowene so ruhig wie einst zwischen Schanzentisch und Telemark.

Die Chance im Urlaub

Als Kind faszinierte Roglič noch das Gefühl des Fliegens, auf Ski und Schanze jagte er diesem nach – und das durchaus erfolgreich. 2003 trat er erstmals bei einem FIS-Springen an, vier Jahre später gewann er mit dem Juniorenteam WM-Gold. Doch mit Verletzungen kamen Zweifel, nach einem schweren Sturz 2011 beendete er deshalb dieses Kapitel seines Lebens. Kurz darauf begann er mit dem Radfahren und nahm rasch Tempo auf. Mit einer außergewöhnlichen Grundlagenausdauer gesegnet, fasste er beim Zweitligateam Adria Mobil Fuß, im Sommer 2015 erreichte ihn schließlich der Anruf des Jumbo-Visma-Teams. „Es war eine besondere Situation. Sie fragten mich. Ich hatte einige Tage nicht mehr trainiert und sagte ihnen das auch. Aber dann machten wir den Test. Und er fiel so aus, dass sie mich dann engagierten“, erinnerte sich Roglič zurück.

Nie hätte er gedacht, dass er in zwei so grundverschiedenen Sportarten Erfolge feiern würde, betonte der Slowene in der Vergangenheit: „Ich habe das Glück, diese Chance in meinem Leben gehabt zu haben und zwei komplett unterschiedliche Sportarten auf höchstem Level betrieben zu haben.“ Vier Jahre später vermag der Quereinsteiger aus Zagorje seine physischen Qualitäten auf dem Rad voll auszuspielen, auch dank der ihm typischen Besonnenheit in kritischen Rennsituationen. „Sein Weg als Radsportler ist phänomenal“, schwärmte Jumbo-Sportdirektor Merijn Zeeman. Nach den Siegen an der Tour de Romandie (2018 und 2019), am Tirreno-Adriatico (2019) und an der UAE-Tour (2019) hat Roglič nach Platz drei beim diesjährigen Giro nun seinen Namen auch in den Grand-Tour-Annalen verewigt – und das soll noch lange nicht das Ende der Karriere sein.

Kampfansage an Ineos

Der niederländische Jumbo-Rennstall hat mit der Verpflichtung von Tom Dumoulin für die kommende Saison und Tour de France jedenfalls schon eine klare Kampfansage Richtung Ineos abgegeben. Das vormalige Sky-Team hat heuer dank Egan Bernal in Frankreich den fünften Gesamtsieg in Folge gefeiert. Mit seinen jüngsten Leistungen ist Roglič mit Sicherheit auch zu einer echten Option aufgestiegen. In Spanien nach einem möglichen Tourtriumph 2020 befragt, antwortete er jedenfalls selbstbewusst: „Warum nicht?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2019)

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