Die FPÖ und die „Gesinnungstreuen“

Herbert Kraus gr�ndet gr�ndet die vierte Partei
Herbert Kraus gr�ndet gr�ndet die vierte Partei(c) Austrian Archives/ picturedesk
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„Braune Flecken“. In ihrem neuen Buch, „Die Ehemaligen“, schildert Historikerin Margit Reiter die Vor- und Frühgeschichte der Freiheitlichen: Das Liberale hatte darin nie eine Chance.

Vielleicht wird er ja nie erscheinen, der Endbericht der von der FPÖ einberufenen Historikerkommission über „dunkle Flecken“ der Parteigeschichte – für den es mehrere stets verschobene Veröffentlichungstermine gab, bis man lieber gar keinen mehr nannte.
Dafür gibt es nun ein neues Buch über die Vor- und Frühgeschichte der FPÖ. Es heißt „Die Ehemaligen“ – ein irreführender Begriff. Irreführend, weil er nach dem Krieg Nazis bezeichnete, die eben nicht ehemalige waren, sondern Immer-noch-Nazis; oder dem Gedankengut zumindest nah.

Die Autorin, Historikerin Margit Reiter vom Zeitgeschichte-Institut der Uni Wien, hat im August die von der Historikerkommission veröffentlichte „Zusammenfassung des Rohberichts“ sehr kritisiert. Sie selbst schildert nun in ihrem im Wallstein Verlag erschienenen Buch die Geschichte des 1949 gegründeten, 1956 aufgelösten VdU (Verband der Unabhängigen) und der als Nachfolgepartei gegründeten FPÖ bis Ende der Sechzigerjahre. Der Zugang zu den freiheitlichen Parteiarchiven blieb ihr verwehrt, dafür konnte sie etwa auf den Nachlass des ehemaligen SS-Manns und FPÖ-Gründers Anton Reinthaller zugreifen.

Sammelbecken für (Ex-)Nazis

Man kann sich an die AfD erinnert fühlen, wenn Reiter von dem so heterogenen, zwischen liberal und national zerrissenen VdU schreibt, davon, wie rasant der von Anfang an laut Reiter „eher marginale“ liberale Anteil darin verdrängt wurde. Von Anfang an war diese „vierte“ Partei in Österreich vor allem auch als Sammelbecken für „Ehemalige“ gedacht; der Kampf gegen die Entnazifizierung war Programm. Nach einem Jahr schon drohte Spaltung, in den nächsten erodierte die Partei. Die Machtverschiebung hin zum Deutschnationalen äußerte sich 1956 in der Gründung der FPÖ, mit dem „NS-Postenkulminierer“ Anton Reinthaller an der Spitze (der noch 1950 den Antisemitismus als Reaktion auf jüdisches Verhalten und „Notwehr“ darstellte). Reiter widerspricht dabei dem einfachen Bild vom liberalen VdU im Gegensatz zur nationalen FPÖ: „Die personellen und ideologischen Kontinuitäten zwischen den Parteien waren größer als gemeinhin angenommen“, der Bruch 1956 weniger einschneidend als behauptet.

Sie geht sogar auf die historisch hanebüchene Behauptung der FPÖ ein, was die Präsenz ehemaliger Nationalsozialisten in ihrer Parteigeschichte betreffe, sei sie doch gar nicht anders als ÖVP und SPÖ. Nur die Anzahl „Ehemaliger“ sei vergleichbar, präzisiert Reiter. VdU und mehr noch FPÖ hätten „vor allem aus besonders ,gesinnungstreuen‘ und zum Teil belasteten Nationalsozialisten“ bestanden. Zudem seien beide Parteien in ihrem Selbstverständnis ein Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten gewesen: „die parteipolitischen Repräsentanten“ des „Ehemaligen“ als sozialen und politischen Milieus.

Für diese Erkenntnis freilich hätte man nun wirklich keine neue historische Abhandlung gebraucht, ebenso wenig wie für das Fazit des Buchs: „Aufgrund personeller und ideologischer NS-Kontinuitäten und vielfältiger Verflechtungen mit nationalen und rechtsextremen Organisationen und Personen bewegte sich die FPÖ im Laufe ihrer Geschichte immer wieder an der Grenze zum Rechtsextremismus.“

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