Löhne: Die Party, das Gerstl, der Streit

11 08 2003 Duisburg Nordrhein Westfalen NRW DEU Hochofenabstich im ThyssenKrupp Huettenwerk
11 08 2003 Duisburg Nordrhein Westfalen NRW DEU Hochofenabstich im ThyssenKrupp Huettenwerk(c) imago/Rupert Oberhäuser
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Die Arbeitgeber zeichnen vor dem Start der Lohnrunde ein düsteres Bild von der Zukunft. Die Gewerkschaft kontert: Es gehe um die Vergangenheit, und die war gut.

Wien. Dunkel, dunkler, schwarz: Wer dem Obmann der Metalltechnischen Industrie zuhört, kriegt nicht gerade Lust auf Zukunft: „Die Aussichten sind schlecht“, sagte Christian Knill am Montag vor Journalisten. Er ist nicht nur Co-Eigentümer des steirischen Industriekonzerns Knill-Gruppe, sondern auch Sprecher der Arbeitgeber in der anstehenden Metaller-Lohnrunde. Und als solcher hat er eine Agenda: Die Erwartungen der Gewerkschaft niedrig halten.

Am Montag startet die Lohnrunde mit der Übergabe der Forderungen. Der Abschluss der Metaller gilt als richtungsweisend für andere Branchen. Und wie immer liegen die Arbeitgeber und die Gewerkschaft kurz vor dem Start weit auseinander.

Für Knill ist klar, dass der Lohnabschluss heuer „auf jeden Fall niedriger“ sein muss als im Vorjahr. Da ging die Gewerkschaft mit der Rekordforderung von fünf Prozent in die Verhandlung – am Ende wurden es 3,5 Prozent. „Wenn man sich die wirtschaftlichen Daten anschaut, müssen wir eigentlich sagen, dass der Abschluss letztes Jahr zu hoch war.“ Um das zu untermauern, zitierte Knill reihenweise Statistiken, die auf einen Abschwung hindeuten: Die Industrieproduktion breche ein, die Auftragsbestände lägen unter dem Durchschnitt, die Unternehmen erwarteten seit nunmehr drei Monaten eine negative Geschäftsentwicklung. In zwölf Betrieben der metalltechnischen Industrie gebe es Kurzarbeit. Düster auch das internationale Umfeld: Deutschland, Österreichs wichtigstem Handelspartner, blüht die Rezession. Die Exporte der Metallbranche in die Bundesrepublik waren im ersten Halbjahr rückläufig, wie auch nach Italien. Dazu kommt die ständige Gefahr durch einen drohenden Handelskrieg.

Teuerung verlangsamt sich

Nach einigen guten Jahren müsse sich die Branche auf starken Gegenwind und einen deutlichen Abschwung einstellen, sagte Knill. Sein Schlachtruf für die kommende Lohnrunde lautet deshalb: „Die Party ist vorbei!“ Sein Gegenüber will sich davon nicht beeindrucken lassen. Rainer Wimmer leitet für die Industriegewerkschaft Pro-Ge die Lohnverhandlungen – und er wiegelt ab: „Von einer Rezession kann überhaupt nicht geredet werden“, sagt Wimmer zur „Presse“. Die letzten Jahre seien auf einem derart guten Niveau gewesen, dass sich das niemand zu denken getraut hätte. Die Leute hätten „gehackelt bis zum Umfallen“, so Wimmer. „Die Arbeitnehmer wollen dafür ein ordentliches Gerstl haben.“ Wie viel die Gewerkschaft an Lohnerhöhung fordert, verrät sie freilich noch nicht. Am Montag dann.

Klar ist: Die heimische Volkswirtschaft verliert deutlich an Fahrt. Laut den Prognosen wird sich das Wirtschaftswachstum heuer von 2,7 Prozent auf 1,5 Prozent abschwächen. Auch die Inflation sinkt deutlich, von zwei auf 1,6 Prozent. Darauf werden sich auch die Arbeitgeber und die Gewerkschaft einigen können. Auf viel mehr dann aber auch nicht. Für die Gewerkschaft ist nach den guten Jahren jetzt die „Zeit der Ernte“. Die Industrie sieht in einem hohen Abschluss in Kombination mit dem Abschwung die „Gefahr einer Vollbremsung“. Und während die Arbeitgeber lieber mit der gesamtwirtschaftlichen Lage argumentieren, wobei sich die Produktivität deutlich eintrübe, spricht die Gewerkschaft von „enormen Steigerungen“ in der Branche.

Am Ende wird man sich wie immer in der Mitte treffen, aber was bis dahin geschieht, ist offen. Voriges Jahr wurde in rund 200 Betrieben gestreikt – es war der erste größere Ausstand seit 2011.

Recht auf geblockte Arbeitszeit

Die Löhne werden nur ein Teil der Verhandlungen sein. Die Gewerkschaft hat auch das Thema Arbeitszeit auf der Agenda. Sie fordert einen Ausgleich für das unter Türkis-Blau beschlossene Arbeitszeitgesetz, das zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche als Höchstarbeitszeit erlaubt. Also will sie einen Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche, wie es ihn im Handel bereits gibt. Davon wiederum lässt sich Industriesprecher Knill nicht beeindrucken: Ein „einseitiges Recht“ schließe er komplett aus. Die Vier-Tage-Woche könne ja bereits jetzt zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten ausgehandelt werden.

AUF EINEN BLICK

Am kommenden Montag starten die Verhandlungen über die Kollektivverträge der Metaller. Voriges Jahr forderte die Gewerkschaft fünf Prozent mehr Lohn und konnte, unter anderem mit Warnstreiks, 3,5 Prozent herausschlagen. Wirtschaftsforscher rechnen aber nicht damit, dass es heuer noch einmal so einen hohen Abschluss gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2019)

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