Prince: Haute Couture für die Ohren

(c) Sony Music
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Die vielleicht teuerste Musikkassette aller Zeiten ist endlich auf CD und Vinyl erhältlich: „The Versace Experience“ von Prince, 1995 in Paris erstmals präsentiert.

Die Archivtüren in den Paisley-Park-Studios, dem Hauptquartier von Prince, stehen sperrangelweit offen. Die Verwertungsmaschinerie des 2016 überraschend verstorbenen Weltstars Prince kommt heuer richtig auf Touren. Aus dem reichhaltigen, zwischen den Majorlabels Warner Music und Sony Music aufgeteilten Nachlass erschien heuer schon „Originals“, eine Sammlung von Songs, die Prince für Kollegen komponierte. Darunter sind Juwelen wie „Gigolos Get Lonely Too“ für The Time und „Manic Monday“ für die Bangles, die nun erstmals in Aufnahmen ihres Schöpfers vorliegen. Zudem werden Ende November die Sessions zum Album „1999“ mit 15 bislang unveröffentlichten Liedern aufgelegt. Aktuell erfreut die erstmalige Edition einer Musikkassette, die 1995 bei der Versace-Modeschau auf der Pariser Fashion Week vorgestellt wurde.

Ein anarchischer Mix

Wer sich nicht daran stößt, dass dazwischen immer wieder mal der Markenname Versace fällt, der wird am anarchischen Mix aus Soul, Funk, Rock und House großen Gefallen finden. Vorbote des nun auf lila Vinyl und auf CD erschienenen Kleinods war die Wiederauflage der Originalmusikkassette am heurigen Recordstore Day. Das Original, das einst Gästen wie Madonna gratis überreicht wurde, erreichte auf der Internetplattform Discogs zuletzt 3676,77 Euro. „The Versace Experience: Prelude 2 Gold“ sollte damals als Appetizer für das im September 1995 veröffentlichte „The Gold Experience“ fungieren, das erste Album, das Prince unter seinem neuen Nichtnamen „The Artist Formerly Known As Prince“ veröffentlichte.

Einige der auf dem Originalalbum erschienenen Lieder, etwa das immens soulige „Shhh“, sind auf „The Versace Experience“ kürzer als im Original, weil die Kassette ganz nach der Dramaturgie der Modeschau ausgerichtet war. Die langen Versionen findet man nicht nur auf „The Gold Experience“, sondern auch auf Maxis wie „Exodus“, „Kamasutra“ und „The Hate Experience“. Mit heutigen Ohren gehört, ist es unverständlich, dass Prince in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre so brutal kritisiert wurde. Diese Ära war für sämtliche Ikonen der Achtzigerjahre schwierig, galt es doch am Klangbild zu schrauben, um als hip wahrgenommen zu werden. Mit dem Aufkommen von House und Techno schienen die vertrackten Songs von Prince veraltet. Zudem wurde das Konzept „Star“ von vielen abgelehnt.

Das hat sich wieder gründlich geändert. Auch wenn nicht alles dem heutigen Zeitgeist entspricht, haben die Lieder viel Charme. So das versonnene „Eye Hate U“, aber auch „Shy“, eine Art psychosexuelle Antwort auf den Gangsterrap. Auch das heftig pochende Funkszenario von „Pussy Control“ konveniert anspruchsvollen Hörern, wenn sich diese nicht zu sehr auf den Text konzentrieren. Darin fließen mehrere Obsessionen von Prince zusammen (etwa Schulhoferotik), die mit heutigen Wertmaßstäben etwas zweifelhaft sind. Ein wenig ärgerlich auch die unkritische Betonung der Wichtigkeit von Geld in romantischen Beziehungen. Nichtsdestotrotz zahlt es sich aus, diesen Liedern eine neue Chance zu geben. Prince scheiterte damals trotz oder wegen des hohen Niveaus seiner Kunst. Der ihm nicht holde Zeitgeist der Neunziger irrte.

(c) The Prince Estate/Sony Music

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

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