Paragraf eins: Was Dreck ist, muss Dreck bleiben!

Guerillamarketing? Kirchengasse/Siebensterngasse.
Guerillamarketing? Kirchengasse/Siebensterngasse.(c) Freitag
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Kennen Sie schon das Wiener Unreinhaltegesetz? Nachgedanken zu einer Magistratserregung.

Wäscht weißer als weiß. Was waren das für Zeiten, als man mit Reinlichkeitsverheißungen noch werben konnte. Damit scheint's vorbei zu sein: Dreck ist das neue Sauber – und wer den Kärcher in die Hand nimmt, riskiert, magistratisch der Gemeingefährdung geziehen zu werden. Oder habe ich da etwas missverstanden?

Es geschah vergangene Woche. Noch an Urlaubsstränden ruhend, las ich via ORF.at von einer Verärgerung der Verwalter dieser Stadt. Kolportierter Anlass: Mitarbeiter einer Werbefirma hätten auf einem Schutzweg zu Neubau die Logos einer Diskonterkette aufgebracht, und zwar nicht mit Pinsel oder Spraydose, sondern – welch ungeheuerliche Infamie! – per Putzattentat. Mittels Hochdruckreiniger und Schablone hätten sie besagtes Logo in den Schmutz der Stadt gefräst. Ergebnis: Das Weiß der Zebrastreifen zeigte sich logopartiell so, wie es einst gewesen, eben weiß, während es rundum weiterhin die stumpfgraue Last der Jahre trug. Eine Gefahr für die Verkehrssicherheit, so der magistratische Befund.

Man muss solches Guerillamarketing nicht mögen. Man muss es auch nicht mögen, wenn besagte Werbefirma Wert darauf legt, das Ganze sei ein Irrtum, Ursache ein „Fehlbriefing der Mitarbeiter“ gewesen. Vollends kurios wird die Angelegenheit allerdings erst, wenn seitens des Magistrats das – zugegeben durchaus nicht arglose – „Waschen einer Straßenoberfläche“ als Delikt dargestellt wird. Als gebe es neben dem Wiener Reinhaltegesetz ein zweites, das uns Unreinhaltung auferlegt. Paragraf eins: Was Dreck ist, muss Dreck bleiben. Übrigens: Manche behaupten, Teile der Stadt genügtem diesem Gebot ohnehin schon in allzu ausreichendem Maß.

Ein Lokalaugenschein Anfang der Woche jedenfalls zeigt die Weißstellen der Erregung auf dem Weg zurück in städtisch-graue Alltäglichkeit. „Zwingt Grau raus – zwingt Weiß rein“? Ach ja, es war einmal.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

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