Forschung: Verkehrsträger unter der Lupe

Ein vom BMVIT gefördertes Forschungsprojekt untersucht Vor- und Nachteile des Platoonings von Lkw.
Ein vom BMVIT gefördertes Forschungsprojekt untersucht Vor- und Nachteile des Platoonings von Lkw. (c) Volvo/Robin Aron
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Bei den Herausforderungen der Transportwirtschaft arbeiten Unternehmen und Wissenschaft immer enger zusammen.

Beim sogenannten Platooning fahren mehrere Lkw, die mittels digitaler Systeme miteinander verbunden sind, auf der Autobahn in einem bestimmten Abstand hintereinander. Das erste Fahrzeug fungiert dabei als eine Art „Leitkuh“. Zwar sitzt am Steuer jedes nachfolgenden Lkw immer noch ein Lenker, dieser erfüllt allerdings nur mehr eine Überwachungsfunktion, um bei Problemen manuell eingreifen zu können. Der Vorteil dabei: Die Flächennutzung der Straßen kann beim Platooning effizienter gestaltet werden, da die Abstände der Lkw zueinander geringer sind. Durch das Fahren im Windschatten soll es außerdem zu Treibstoffeinsparungen kommen. Als Problem könnte sich dabei ein gewisses Unbehagen bei den Pkw-Fahrern erweisen, weil ein Überhol- oder Abbiegevorgang länger dauert.

Gegenseitige Befruchtung

Mit solchen und anderen Fragestellungen beschäftigt sich das Projekt „Connecting Austria“ unter Federführung des Logistikum Steyr der FH Oberösterreich. Projektleiter ist Wolfgang Schildorfer, der ab Jänner 2018 dreizehn Partner zu einem Projektteam formte: „Die Kernfrage lautet: ,Was bringt die neue Technologie?‘ Der Hauptmotivationsfaktor ist dabei zweifellos der hohe Kostendruck im Transportgewerbe.“ In dem österreichweiten Konsortium arbeiten Logistikunternehmen mit Forschungsinstituten wie der TU Wien, der Boku oder eben dem Logistikum Steyr eng zusammen. Schildorfer: „Theorie und Praxis befruchten sich gegenseitig. Durch unsere Unternehmenspartner erfahren wir, wie Logistik in der täglichen Realität funktioniert. Und die Firmen erhalten Zugang zu den neu gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen.“ Das Budget beträgt bis zum Projektabschluss Ende 2020 rund 4,3 Millionen Euro. 2,5 Millionen werden vom BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) beigesteuert, 1,8 Millionen übernehmen die Projektteilnehmer. Mit den bisherigen Erkenntnissen ist Schildorfer zufrieden. Der Projektverlauf hat sogar international Beachtung gefunden. Kürzlich referierte das Forschungsteam in Florenz, London und Washington. „Wir haben uns proaktiv darum bemüht, dass wir auch international beachtet werden. Hilfreich war, dass Richard Bishop, einer der führenden internationalen Experten auf dem Gebiet des autonomen Fahrens, Connecting Austria als ,most relevant research project‘ bezeichnet hat“, erzählt Schildorfer.

Von der Straße auf die Schiene

In einem weiteren vom BMVIT geförderten Forschungsprojekt haben sich Rail Cargo Group (RCG) und das Wiener Start-up Craftworks mit Fraunhofer Austria Research und dem Institut für Supply Chain Management der WU Wien zusammengeschlossen, um den Verkehrsträger Schiene für das Transportumfeld des Physical Internet attraktiver zu machen. Physical Internet ist ein Konzept für ein standardisiertes Güter-Transportsystem ähnlich der Idee des digitalen Internets. Entgegen der heutigen Vorgehensweise, bei der ein einzelner Transportdienstleister Waren über große Distanzen transportiert, setzt die Idee des Physical Internet auf anbieterunabhängige Transporte. Der Hintergrund: „Der Anteil der Schiene nimmt ab. Der Großteil der Waren wird heute auf der Straße transportiert. Ein Trend, der noch weiter zunehmen wird“, erklärt Projektleiter Georg Brunnthaller von Fraunhofer Austria. Die Gründe dafür, dass die Bahn immer mehr ins Hintertreffen gerät, liegen auf der Hand: Von der Wirtschaft wird erhöhte Flexibilität und Schnelligkeit bei gleichzeitigem Kostendruck gefordert. Ebenso verändert sich die Güterstruktur in Europa – weg von Massengütern, hin zu hoch entwickelten Konsumgütern – eine Tatsache, die dem Verkehrsträger Straße zusätzlich in die Hände spielt. Damit die Schiene künftig konkurrenzfähig bleibt, sollen mithilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen Transportkapazitäten künftig vorausschauend geplant werden können. Dadurch sollen lange Vorlaufzeiten reduziert und die Einsatzbereitschaft der Wagen zum richtigen Zeitpunkt erhöht werden. Das „Backbone PI:Rail“-Projekt soll ein Modell für die bessere Wagenplanung der Zukunft liefern. „Durch den Einsatz neuer Methoden und Datenquellen soll ein ökonomischer Nutzen für den Bahnkunden generiert und damit neue Potenziale für eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene geschaffen werden“, sagt Brunnthaller. Das hilft auch dem Klima. „Die ökologische Nachhaltigkeit ist ein Alleinstellungsmerkmal der Bahn. Sie ist sicher das System der Zukunft, was die Ökologie betrifft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

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