Die Forderung des Verteidigungsministers nach einem Investitionsschub ist berechtigt, dürfte aber von der nächsten Regierung nicht umgesetzt werden.
Angeblich ist Thomas Starlinger kein Politiker, und die Übergangsregierung will nur verwalten. Beides stimmt nur bedingt, wie sich jetzt zeigt: Der parteilose Verteidigungsminister hat ein exzellentes politisches Gespür, er weiß, wie man ein Thema auf die Tagesordnung bringt und entsprechenden Druck aufbaut. Keinem Verteidigungsminister vor ihm ist es derart gut gelungen, Lobbying für das Bundesheer zu betreiben. Okay, so mancher von ihnen hatte das auch gar nicht auf seiner persönlichen Agenda.
Jeder Minister kämpfe für sein Budget, hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz kürzlich gesagt, als er Begehrlichkeiten des Bundesheers eine Absage erteilte. Das stimmt zweifellos, ist in dem Fall aber etwas zu kurz gegriffen. Die Frage lautet nicht, ob man dem Heer etwas Gutes tun soll, sondern ist umgekehrt zu stellen: Welchen Bedrohungen ist Österreich ausgesetzt, was kann dagegen getan werden, und in der Folge dann: Hat das Bundesheer ausreichende Mittel dafür zur Verfügung?
Zu den Bedrohungen gehört nicht, um nochmals Kurz zu zitieren, die ominöse Panzerschlacht im Marchfeld (auf die sich das Bundesheer nebenbei bemerkt nicht einmal in Zeiten des Kalten Krieges vorbereitet hat), sondern das Bundesheer hat sehr wohl die modernen Bedrohungen im Blickfeld: Den Drohnenangriff von Terroristen auf die Raffinerie Schwechat, den Anschlag auf die Stromversorgung mit folgendem totalen Blackout, den Cyberangriff, der alle Telekommunikationssysteme lahmlegt. Das sind Szenarien, die hoffentlich nie eintreten, die aber auch nicht völlig unwahrscheinlich erscheinen. Es dürfte Konsens herrschen, dass man sich darauf vorbereiten sollte.
Damit kommen wir zum Bundesheer: Das ist in den vergangenen Jahren von einer Politik, die mehrheitlich der Meinung war, es gebe ohnehin keine sonderlichen Bedrohungen mehr, sträflich vernachlässigt worden. Bestenfalls war es als Aufputz bei festlichen Anlässen gern gesehen. Emotional wurde es, wenn die Militärmusik infrage gestellt wurde. Angesehen waren nur Aufgaben, die eigentlich nur am Rande mit der Landesverteidigung zu tun haben: der Einsatz bei Naturkatastrophen und der Assistenzeinsatz an der Grenze. Und natürlich musste es herhalten, wenn es um die Sanierung des Budgets ging (und darum ging es fast jedes Jahr). Bei einem Militär, das nicht beständig im Einsatz ist, geht das natürlich: Man schränkt halt den Dienstbetrieb etwas ein und verzichtet auf Investitionen.
Dass das nicht ewig gut gehen wird, davor haben die Offiziere schon lang gewarnt, gehört wurden sie aber kaum. Dass jetzt ein Offizier, der politisch nichts werden muss, Minister ist, hat dem Anliegen zu mehr Öffentlichkeit verholfen. Und dass ein Investitionsschub beim Heer notwendig ist, dem widerspricht eigentlich niemand. Ob es wirklich 16 Milliarden Euro sein müssen, ist eine andere Frage. Die Zahl dürfte nicht in Stein gemeißelt sein, womöglich wurde sie bewusst hoch angesetzt. Aber: Dass jeder Soldat eine Schutzausrüstung hat, dass es genügend gepanzerte Fahrzeuge gibt und auch der Luftraum geschützt wird, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es derzeit aber nicht.
Ob das durchaus berechtigte Anliegen des Verteidigungsministers auch umgesetzt wird, darf bezweifelt werden. Aus der ÖVP ist hinter vorgehaltener Hand ein Murren über den „PR-Auftritt“ des Ministers zu hören. Offen wird das nicht kritisiert, wohl auch, weil die Verteidigungspolitik eine schwarze Domäne ist (wohlgemerkt: schwarz, nicht türkis!) und man leicht Wähler vertreiben könnte.
Aber auch von den anderen Parteien ist nicht viel Unterstützung zu erwarten. Rot und Blau fordern jetzt zwar eine kräftige Anhebung des Heeresbudgets. Doch gerade unter SPÖ-Ministern wurde am meisten eingespart. Und der FPÖ schien es in der Regierung politisch opportuner, Innenminister Herbert Kickl budgetmäßig gut auszustatten, als das Bundesheer. Und die Grünen? Für diese ist das gar kein Anliegen. Sie wollen das Heer sanieren, indem die Luftwaffe abgeschafft und der Luftraum somit gar nicht mehr verteidigt wird.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)