Pädagoginnen berichten von Gewalt im Kindergarten

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Symbolbild: KindergartenClemens Fabry
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Mehr als die Hälfte aller Pädagoginnen erlebte bereits "gewaltvolle Handlungen" durch Fach- oder Assistenzkräfte mit. Zu diesem Schluss kommt eine Bachelorarbeit.

Kleinkinder, die in den Waschraum eingesperrt werden, Sprößlinge, die im Hochstuhl festgeschnallt werden, und ein Kind, das mit Klebeband am Sessel fixiert wird: Immer wieder haben gewaltvolle Erziehungsmethoden in Kindergärten in den vergangenen Monaten und Jahren für Schlagzeilen in Österreich gesorgt ("Die Presse“ berichtete). Doch sind das traurige Einzelfälle oder kommt hier nur die Spitze des großen Eisberges zum Vorschein?

Darauf hat es bislang keine mit Zahlen untermauerte Antwort gegeben. Nun gibt es einen ersten Anhaltspunkt. Geliefert wird dieser von der Elementarpädagogik-Plattform Educare. Sie zitiert eine an der Fachhochschule Campus Wien entstandene Bachelorarbeit. Die Kindergartenpädagogin und Lehrerin Claudia Schütz untersuchte dabei psychische wie physische Formen von Gewalt in elementaren Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und -krippen.

Das ernüchternde Ergebnis: Mehr als 50 Prozent der Pädagoginnen und Pädagogen haben diese in ihrer täglichen Arbeit wahrgenommen. Unter anderem würden Kinder von ihren Bezugspersonen fest angepackt, unsanft niedergesetzt oder hinterhergezogen, müssten urinierte Kleidung strafweise anbehalten oder sich negative Kommentare anhören. Die Definition von Gewalt ist hier subjektiv und wird von den befragten Pädagoginnen selbst definiert.

Die Rahmenbedingungen in den Kindergärten, so eine der Schlussfolgerungen in der Bachelorarbeit, würden teilweise zur Überforderung der pädagogischen Fachkräfte führen. Das wiederum begünstige möglicherweise gewaltvolle Handlungen. „Es braucht Arbeitsbedingungen, welche den Aufbau vertrauensvoller und emphatischer Beziehungen zu den Kindern begünstigen," so Schütz. Eine pädagogisch fortschrittliche Arbeit sei unter den derzeitigen Rahmenbedingungen oftmals nicht möglich. Der Kindergarten verkomme dadurch zur reinen Betreuungseinrichtung.

Mangel an gute ausgebildetem Personal

Das wiederum greift die Plattform Educare gerne auf. Sie plädiert in einer Aussendung nicht nur für eine lückenlose Aufklärung und Sanktionierung solcher Fälle. Sondern auch dafür, „die Strukturen dahinter zu beleuchten, die diese Entwicklungen begünstigen“. Es gebe nämlich viele strukturelle Probleme. Dazu zähle etwa der Pädagogenmangel. „Die österreichweite Bereitstellung von gut ausgebildetem Fachpersonal ist ein Problem“, heißt es in der Stellungnahme. Handlungsbedarf bestehe auch etwa beim Konfliktmanagement, der Bewältigung des administrativen und organisatorischen Aufwandes, den fehlenden Ressourcen für strukturelles Reflektieren sowie für Supervision.

In jeder Bildungs- und Betreuungseinrichtung könne es zu Situationen kommen, die überfordern, gibt die Elementarpädagogik-Plattform zu bedenken. "Übergriffe werden verschwiegen und tabuisiert, denn sie passen nicht zum Selbstbild der PädagogInnen, immer ein gutes Vorbild zu sein". Wenn dann etwas passiere und an die Öffentlichkeit gelange, komme es zu in einigen Fällen unabdingbaren Entlassungen oder Suspendierungen - umgekehrt kosteten ungeklärte Verdächtigungen womöglich Unschuldige ihre wirtschaftliche Existenz.

Folge sei eine Verschärfung der Überforderung. Educare will daher mehr und gut ausgebildetes Personal sowie eine Kultur des Konflikte-Ansprechens etablieren. Unter anderem soll daher ein elementarpädagogischer Beirat im Bildungsministerium geschaffen werden.

(APA/Red.)

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