EU-Parlament stimmt für Brexit-Aufschub - wenn es gute Gründe gibt

Nigel Farage, Wortführer der britischen Brexit-Partei, im EU-Parlament in Straßburg.
Nigel Farage, Wortführer der britischen Brexit-Partei, im EU-Parlament in Straßburg.REUTERS
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Der Ball liegt nun wieder in Großbritannien, das um eine Verschiebung ersuchen müsste. Die Entscheidung liegt dann bei den EU-Staaten. Das Risiko eines No-Deals sei "sehr real“, mahnt Kommissionschef Juncker.

Das EU-Parlament hat am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit eine Entschließung verabschiedet, in der das Europaparlament einen begründeten weiteren Brexit-Aufschub begrüßt. Damit solle ein "harter Brexit" ohne Abkommen verhindert oder ein zweites Referendum ermöglicht werden. Zuvor muss allerdings London einen solchen Aufschub beantragen, die Entscheidung liegt dann beim Europäischen Rat.

544 EU-Abgeordnete stimmten für den Entschließungsantrag, der gemeinsam von konservativen, sozialdemokratischen, liberalen, grünen und linken EU-Abgeordneten eingebracht worden war. 126 Parlamentarier votierten dagegen und 38 enthielten sich. Für einen No-Deal-Brexit trage nur Großbritannien die Verantwortung, heißt es in der Entschließung.

In der Resolution bestätigen die Abgeordneten auch, dass sie bereit seien, auf den ursprünglichen Vorschlag der EU für eine auf Nordirland beschränkte Backstop-Lösung, eine Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, zurückzukommen. Sie seien aber auch offen für die Prüfung von "alternativen Regelungen". Die Abgeordneten unterstrichen, dass die finanziellen Verpflichtungen Londons auch nach einem No-Deal-Brexit weiter bestünden.

Juncker: „Risiko eines 'No Deals' bleibt"

Zuvor hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Plenum gewarnt, das Risiko eines "No Deals" bleibe bestehen und sei "sehr real". Die zentrale Frage bleibe der Backstop, so Juncker. Er habe Johnson gebeten, hierzu schriftliche Lösungsvorschläge zu machen, aber "wir haben wenig Zeit und müssen eine Lösung finden", betonte der scheidende Kommissionspräsident.

Der Brexit-Chefverhandler der EU, Michel Barnier, erinnerte daran, dass es neben der Irland-Frage auch um die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ginge. "Wir alle wollen möglichst enge Beziehungen mit London", so Barnier, dazu benötige man allerdings juristisch brauchbare Lösungen. "Wir müssen Ruhe bewahren aber auch den gegenseitigen Respekt." Niemand möchte das Vereinigte Königreich dazu zu bringen, gegen den Willen der britischen Bevölkerung in der Union zu bleiben, so Barnier. "Wir sehen den Mehrwert nicht, aber wir akzeptieren das."

Das Parlament werde "eine Verlängerung nur akzeptieren, wenn sie gut begründet ist", sagte der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber bei der Debatte. "Bei Neuwahlen oder einem neuen Referendum können sie auf uns zählen", sagte die Chefin der Sozialdemokraten, Iratxe García. "Mit dieser Entschließung betonen wir erneut unsere Geschlossenheit", bekräftigte der Chef der Liberalen, Guy Verhofstadt.

Die Standpunkten der österreichischen Fraktionen

"Solange wir eine Hand ausstrecken können, werden wir das tun", betonte weiters die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner im Plenum. Der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky äußerte im Plenum "großes Unverständnis, dass die EU und das Vereinigte Königreich nicht in der Lage" seien, einen Volksentscheid umzusetzen. Es sei völlig unerheblich, was das EU-Parlament sage, entscheidend sei vielmehr, was die britische Bevölkerung sage.

"Wir wollen alles versuchen, um einen chaotischen Brexit ohne Vertrag zu vermeiden", hatte zuvor der Parlamentsvize und ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas erklärt. Der Ball liege aber in London, so Karas. "Wir werden Großbritannien sicher nicht die Türe zuschlagen, auch wenn es der britischen Regierung an Ernsthaftigkeit mangelt", erklärte der SPÖ-Europaparlamentarier Andreas Schieder. Unter Johnson sei Großbritannien noch unberechenbarer geworden, konstatierte die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon, und die Grüne EU-Abgeordnete Monika Vana zeigte sich zumindest erfreut, dass verschiedene EU-Programme, etwa zu Erhaltung des Friedens in Nordirland, auch bei einem Brexit weiterlaufen würden.

Ursprünglich hätte Großbritannien am 29. März aus der EU austreten sollen. Die Frist war mangels einer Mehrheit für das Brexit-Abkommen im britischen Parlament bereits zwei Mal von EU-Gipfeln verschoben worden - zunächst auf 12. April und dann auf 31. Oktober.

(APA)

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