Smartphone-Präsentation

Mate 30 Pro: Huawei ignoriert den Elefanten im Raum

Richard Yu präsentiert gleich zu Beginn die neuen Mate-30-Geräte.
Richard Yu präsentiert gleich zu Beginn die neuen Mate-30-Geräte. APA/AFP/CHRISTOF STACHE
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Noch nie schien die von Huawei angestrebte Nummer eins am Smartphone-Markt so weit weg, wie heute. Nun präsentieren die Chinesen in München ihre neue Serie und lassen die entscheidenden Fragen unbeantwortet.

Am Donnerstag hat Huawei die neue Mate-Serie in München vorgestellt. Vieles war zu den vier Geräten, dem Mate 30, Pro, Lite und Porsche Design, bereits vorab durchgesickert. Mit Spannung wurde erwartet, wie Huawei mit der Smartphone-Serie in Europa umgehen wird, nachdem der US-Bann erstmals direkte Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Denn schon im Vorfeld erklärte Google, dass es keine Apps (Gmail, YouTube, den Browser Chrome) zur Verfügung stellen wird. In den 90 Minuten der Präsentation vermied der Chef der Huawei-Mobilsparte über dieses Problem zu sprechen. Damit bleiben weiterhin die Gerüchte aufrecht, dass die Geräte nicht in Europa verkauft werden.

Es ist in jedem Fall ein herber Rückschlag für Huawei, die 2019 die Nummer eins am Smartphone-Markt werden wollten und dieses ehrgeizige Ziel durchaus hätten erreichen können. Und hätte damit Samsung nach sechs Jahren erstmals vom Thron stoßen können. Aktuell hält Samsung bei 22,7 Prozent, Huawei bei 17,6 und Apple ist mit 10,1 Prozent noch im zweistelligen Bereich. Aber auch europäische Kunden bekommen erstmals die Auswirkungen des US-Banns zu spüren.

Richard Yu lenkt zu Beginn auf die Verkaufszahlen

„Huawei blickt auf ein herausforderndes Jahr zurück. Auch wenn wir im Smartphone-Bereich um 25 Prozent, im PC-Bereich um 249 Prozent und bei Wearables um 278 Prozent zulegen konnten“, steigt der Huawei-Chef der Mobilsparte, Richard Yu, direkt in die Präsentation ein. Das Mate 20 verkaufte sich 16 Millionen Mal innerhalb eines Jahres. Yu ist sehr bemüht darum, die Verkaufszahlen über den US-Bann zu stellen. Dabei lässt er aber den Fakt aus, dass in Europa im letzten Halbjahr sehr wohl die Zahlen rückläufig waren. Die Steigerungen konnte Huawei dadurch erzielen, dass das Unternehmen in China eine massive Welle der Solidarität erlebt. Knapp 40 Prozent mehr Smartphones wurden im Vorjahresvergleich im letzten Quartal verkauft.

Und schon „zaubert“ Richard Yu das Mate 30 und Mate 30 Pro aus der Sakkoinnentasche. Ohne dabei den Seitenhieb über die Kamerapositionierungen des iPhone 11 zu vergessen. Denn die Dreierkonstellation hatte Huawei schon im Vorjahr. In diesem Jahr hat man sich aber für ein Ring-Design entschieden.

Das Mate 30 Pro verfügt über ein 6,53 Zoll großes „Flex OLED“ Display. Mit einer Auflösung von 2400 x 1176 Pixel. Das Display reicht tatsächlich bis an die Grenzen der Rückseite. 88 Prozent reicht der Bildschirm über die Ränder, erklärt Yu. Auch hier wieder der direkte Vergleich zur Konkurrenz. Dieses Mal aber nur das iPhone, das beim Display-Gehäuse-Verhältnis „schlechter abschneidet“.

Richard Yu, CEO of Huawei's consumer business group, launches the Mate 30 smartphone range in Munich
Richard Yu, CEO of Huawei's consumer business group, launches the Mate 30 smartphone range in MunichREUTERS

Der Notch, also die Aussparung am Display für Kamera, Sensoren und die Gesichtserkennung und Gestensteuerung wurde maßgeblich verkleinert. Dennoch nimmt er einen Großteil oben ein.

Beim wasserdichten Mate 30 Pro verfolgt Huawei eine ähnliche Strategie wie der Android-Mitbewerber. Der Trend geht in Richtung tastenlose Geräte. Die Lautstärke wird künftig über den seitlichen Bildschirm via Berührung ausgelöst. Auch die Kamera wird künftig direkt am seitlichen Bildschirm ausgelöst. Die Tasten sollen sich individuell belegen lassen. Der Akku des Spitzenmodells verfügt über eine Kapazität von 4500 mAh. Das günstigere und kleinere Modell bietet 4200 mAh.

Huawei setzt auf 5G und Performance-Steigerung

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Wie zu erwarten, ist auch bereits der auf der IFA gezeigte Kirin 990 in der Mate 30 Serie verbaut. Das soll sich in der Leistungssteigerung deutlich bemerkbar machen. Die Verbesserungen liegen den Huawei-Test im mittleren zweistelligen Bereich. Es ist aber auch eine Grundvoraussetzung für ein neues Gerät, dass es besser ist als der Vorgänger.

Der leistungsstarke 5G-Chip mit 21 Antennen sowie 14 5G-Antennen, ermöglicht zwar „superschnelles“ Surfen, aber er wird auch heiß. Deswegen wurde ein Cooling-System entwickelt, welches auch die Systeme der Konkurrenz übertrumpfen soll.

Kabellos und „superschnell“ 

Es ist eines der Lieblingswörter von Richard Yu. Nahezu alles ist superschnell. Auch die kabellose Ladefunktion. Das Mate 30 Pro kann mit 27W geladen werden. Kabelgebunden sind 40W möglich. Ebenfalls überarbeitet wurde die Reverse-Charging-Funktion, die nun drei Mal schneller sein soll, als beim Vorgänger. Auch wenn Samsung diese Funktion bietet und bei Apples iPhone 11 soll sie integriert sein, aber nicht freigeschaltet, wird die Funktion kaum genutzt. Selbst bei Huawei ist nicht auf einen Blick erkennbar, wo die Kopfhörer hingelegt werden müssen, um die Ladefunktion zu nutzen. Hier wollte Apple eigentlich sein Logo dafür nutzen. Dies wäre ein guter Ansatz gewesen.

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Das Herzstück, die Kamera(s)

Vier Kameras sollen im Mate 30 Pro alle Stückerl spielen: 40 MP Superweitwinkel mit f/2,2; 40 MP Weitwinkel mit f/1,8; 8 MP Zoomlinse mit f/2,4 und ein 3D Tiefensensor mit Laser-Fokus. Wobei Yu auch darauf hinweist, dass Megapixel nicht das Maß der Dinge sind. Vielmehr geht es um die Kombination mit dem Sensor. Vor allem die Weitwinkel-Kamera will man verbessert haben. Diese soll nun sehr lichtstark sein und gute Aufnahmen im Nachtmodus ermöglichen. Eines der Kritikpunkte am P30 Pro, das zwar mit seinen Zoom-Funktionen überzeugen konnte, aber in der Nacht Schwächen hatte.

Die Frontkamera bietet 24 Megapixel.

Ultra-Slow-Motion statt „Slofies"

Die verbaute Videokamera ermöglicht 4K-Aufnahmen in Kinoqualität, verspricht Yu. Dabei baut das Unternehmen auf ein duales Hauptkamerasystem. Sie verfügt über einen großen 1/1,54-Zoll-Sensor mit einem ISO von bis zu 51.200, um Videos mit einem erweiterten Dynamikbereich sowie Ultra-Slow-Motion mit bis zu 7680 Bildern pro Sekunde aufzunehmen. Die Videokamera unterstützt zudem 4K Low-Light-Zeitraffer-Videos im Ultra-Weitwinkelmodus.

Slow-Motion ist auch bei Apple ein Thema gewesen. Der iPhone-Konzern setzt dabei auf die Frontkamera für Slow-Motion-Aufnahmen. Huawei konzentriert sich weiter auf die Hauptkamera.

Software - und der Elefant im Raum

Richard Yu ist massiv darum bemüht, während der Präsentation nur das Mate 30 in den Vordergrund zu stellen. Der US-Bann und die daraus folgenden Konsequenzen sind ein übergroßer Elefant im Messezentrum München. Nun geht es aber im nächsten Punkt auf der Tagesordnung um Huaweis Benutzeroberfläche Emui10. Dem zugrunde soll Android liegen, aber es kommt angeblich nicht von Google, sondern von der Android Open Software Plattform. Ein Image-Video soll die Vorzüge der Bedienung demonstrieren.

Zuvor soll es aber um das Always-on-Display und den Darkmode geben, der standardmäßig in Android 10 implementiert ist. Hier setzt Huawei auf eine eigene Lösung - zwangsweise. Die Dark Mode Engine ermöglicht, dass dieser auf alle installierten Apps angewendet werden kann.

Gestensteuerung

Die Frontkamera verfolgt immer die Augen des Nutzers. So soll das Gerät erkennen, ob das Gerät trotz liegender Position dennoch Inhalte im Hochkant-Format anzeigen soll. Es ist immer so ausgerichtet, wie man drauf schaut. Außerdem soll sich das Gerät aufgrund des ToF-Sensors per Handbewegungen steuern lassen können. Das funktioniert bislang in der Praxis eher mittelmäßig.

Der Fingerprint-Sensor ist wieder im Display verbaut. Das funktionierte bereits beim Mate 20 sehr gut (siehe Link unten).

Eine Neuauflage des Porsche-Design

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Das Mate 30RS ist bereits die fünfte Generation, die aus der Zusammenarbeit mit Porsche entsteht. Es zeichnet sich durch ein adaptiertes Design und seinen Preis aus. Meist jenseits der 2000-Euro-Grenze. Bis jetzt gibt es aber dazu und auch zu der Verfügbarkeit keine Informationen.

Selbst in der deutschen Pressemitteilung wird dieses Detail ausgespart. Obwohl nicht mehr davon auszugehen ist, dass hier Überraschungen kommen werden. Es wird diese technische Huawei-Neuerung voraussichtlich nicht in Europa verfügbar sein.

Huawei Watch GT - eine neue Uhr zum Drüberstreuen

Eine Standalone-Uhr hat Huawei ebenfalls im Gepäck. Die Uhr bietet Platz für bis zu 500 Lieder direkt am Gerät. Mit einem Durchmesser von 46 Millimetern ist sie relativ groß. Zwei Wochen soll die 29-Gramm schwere Uhr durchhalten. Huawei versucht beim Design sich immer mehr am klassischen Uhrenlook. Es gelingt immer besser.

Für Sportler gibt es zudem 13 verschiedene Laufrouten und sie ist wasserdicht, bietet also Schwimmern auch hier eine Trackingmöglichkeit. Insgesamt bietet sie 15 Workout-Modi. Huawei verspricht eine Reichweite von 150 Metern, wenn es via Bluetooth verbunden ist. Neben den Vitalfunktionen prüft sie auch das Stresslevel des Trägers. Es ist bezogen auf die Funktionen ein kompaktes Smartphone.

Huawei Vision

Richard Yu präsentiert zudem einen Fernseher. Der sieht aus, wie von der Tochterfirma Honor. Er wird in drei Größen verfügbar sein: 55, 65 und 75 Zoll. Ausgehend davon, dass der Fernseher tatsächlich mit Huaweis eigenem Betriebssystem Harmony läuft. Über den HDMI-Anschluss kann dann auch Netflix darüber genutzt werden. Vorinstalliert wird diese App wohl eher nicht sein.

Finale: Die Preise

Die Watch GT2 wird für 249 Euro ab Oktober erhältlich sein. Das Mate 30 kommt mit 8GB RAM und 128 Gigabyte für 799 Euro. Das Mate 30 Pro wird mit 8 GB RAM und 256 Gigabyte internem Speicher für 1099 Euro angegeben. 1199 Euro kostet die 5G-Version. Das Porsche-Design schlägt mit 2095 Euro zu Buche und ist damit nur knapp günstiger als das faltbare Mate X.

Und damit verlässt Richard Yu die Bühne und hinterlässt den Elefanten. Zwar sind die Geräte in Europreisen angekündigt, aber keine Informationen zum Verkaufsstart und den Verfügbarkeiten in den verschiedenen Ländern.

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