Die Dauerwelle war nie wirklich weg

Die Zeit verzeiht, die Verirrung wiederholt sich.

Es gab eine Zeit, da wurden Pullover und Blusen an den Schultern eigenhändig mit Schaumstoff gepolstert, und es gab eine Zeit, da erwachte man aus diesem bösen Traum und riss die Polster, die meist nur mit ein paar Nähten appliziert worden waren, wieder heraus. Nie mehr würde sie wiederkehren, die Zeit der überbreiten Schulterpolster, darauf konnte doch jede Wette eingegangen werden. Nicht jede Verirrung muss sich wiederholen.

Nun, leider. Sie sind wieder da, und warum sollten die Menschen bei den wirklich wichtigen Themen jemals klüger werden, wenn es schon bei den Schulterpolstern nicht klappt oder bei den Radlerhosen, und erst gestern habe ich einen jungen Mann mit gemèchten Haaren und Dauerwelle gesehen, das war wie ein Zeitdokument aus Hollabrunn im Jahr 1988.

Es wäre zu einfach, die Mode- und Werbeindustrie dafür verantwortlich zu machen, dass plötzlich etwas gewollt wird, was schon als grauenvoll entsorgt schien. Denn nicht alles, was einem gefallen soll, hat Erfolg, es muss schon die richtige Mischung auf die richtige Zeit stoßen, etwas in der Luft liegen, als Stimmung, als Ahnung oder als Überwindung von etwas Vergangenem.

Auch die Sprüche auf den T-Shirts sind wieder da, allerdings nicht die halblustigen, die mit Bier oder Sprachwitz zu tun haben, sondern die sehnsuchtsvollen, die sich etwa der Wahrhaftigkeit („Do more of what makes you happy“) oder der Hoffnung („Live your dreams“) widmen.

Oft sieht man diese T-Shirts an Menschen, die es nicht leicht zu haben scheinen, und es rührt einen auf eine Art, die nicht sympathisch ist, weil man simple Sätze wie „Alles wird gut“ am liebsten wegschnauben würde. Der Zynismus gehört auch zu dieser Zeit, besser gemacht hat er noch nie etwas. Vielleicht sind Schulterpolster als Antwort darauf gemeint.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2019)

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