Fehlerhafte Software

10.700 Inhaftierungen werden neu untersucht

Die Presse/Clemens Fabry
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32 Personen wurden in den letzten Wochen aus Gefängnissen in Dänemark entlassen. Die Verurteilungen basierten auf falschen Standortinformationen. Unschuldige wurden zu Unrecht verurteilt und Schuldige konnten dadurch vielleicht einer Strafe entkommen.

Dänemark hat 32 Gefängnisinsassen freigelassen. Grund dafür sind laufende Untersuchungen von mehr als 10.700 Inhaftierungen. Die in den Fällen verwendete Software zur Ermittlung von Standortinformationen der Mobilfunkanbieter sollen fehlerhaft gewesen sein. Und so zur Verurteilung von Tausenden Unschuldigen geführt haben - und umgekehrt. Sieben Jahre lang wurde das IT-System verwendet.

Bei all den Fällen handelt es sich um Verfahren, bei denen ein Strafmaß von mehr als sechs Jahren erwartet wurde. Andernfalls hätten die Provider die Daten nicht herausgeben müssen.

„Drastische Entscheidung, aber notwendig“ 

Die dänische Polizei hat festgestellt, dass die eingesetzte Software zur Ermittlung des Standorts von Mobiltelefonbenutzern unpräzise ist. Die Software soll eigentlich die Rohdaten von Mobilfunkmasten in brauchbare Beweise konvertieren. Die Polizei hat festgestellt, dass die Software die Tendenz habe, beim Konvertieren einige Daten auszulassen. So wurden nicht alle Anrufe, die über einen Mobilfunkmasten liefen, tatsächlich registriert. Somit ergab sich lange Zeit ein unvollständiges Bild. Außerdem sollen Ermittlungen zufolge Personen einem falschen Sendemasten zugeordnet worden sein. Das könnte dazu geführt haben, dass Verdächtige entlastet wurden, weil sie sich angeblich zum Tatzeitpunkt nicht in der Nähe aufhielten - und umgekehrt. Eine Person kann in den Fokus der Ermittlungen geraten, weil er sich dort angeblich aufgehalten haben soll, obwohl er tatsächlich aber ganz woanders war. Denn auch die Position mancher Sendemasten war in der Software inkorrekt. In Summe ergab sich durch die Software ein Bild, das die Realität nicht abdeckt.

Der dänische Staatsanwaltschaft, Jan Reckendorff erklärte dazu: "Wir können einfach nicht mit dem Gedanken leben, dass Informationen, die nicht genau sind, Menschen ins Gefängnis schicken könnten", erklärte er gegenüber dem dänischen Staatssender DR. Aus diesem Grund habe man sich entschieden, mehr als 10.700 Fälle wieder neu aufzurollen und genau zu untersuchen. Es sei eine "drastische Entscheidung, die aber in einem Rechtsstaat notwendig ist."

Daten „nicht zur Überwachung und Kontrolle von Bürgern" erstellt

Die Mobilfunkbetreiber, deren Daten für die Ermittlungen herangezogen wurden, wehren sich. Der Fehler liege in der Interpretation, nicht an den Daten selbst. Dass fehlerhafte Daten geliefert wurden, stimme nicht. Es sei nicht Aufgabe der Mobilfunkanbieter Beweise zu liefern. "Wir sollten uns daran erinnern, dass Daten erstellt werden, um die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten zu erleichtern, nicht um die Bürger zu kontrollieren oder um sie zu überwachen", erklärt Jakob Willer vom Verband der Telekommunikationsbranche.

Bislang hätten Mobilfunkdaten einen hohen Stellenwert in dänischen Gerichtsverhandlungen gehabt, erklärt dazu Karoline Normann, Leiterin des Strafrechtsausschusses der dänischen Rechtsanwaltskammer.

Bereits im November 2018 wurden erste Fehler von einem Polizeirevier in der Software entdeckt. Erst nach einem zweiten Hinweis durch Polizisten wurde dem aber nachgegangen. Im März 2019 wurde der Fehler behoben. Die Standortinformationen wurden aber trotzdem in diesem halben Jahr für Ermittlungen und Strafverfahren genutzt.

Situation in Österreich

Auch in Österreich wurde bereits viel über eine Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Aktuell ist es in Strafverfahren nur unter mehreren Voraussetzungen möglich Standortinformationen bei Mobilfunkanbietern einzuholen. In den meisten Fällen muss es bereits einen Verdächtigen geben, inklusive der Mobilfunknummer. Dann wird beim Anbieter angefragt, immer mit dem Anspruch, dass die Tat nicht schon länger als sechs Monate zurückliegt. Länger speichern die Anbieter nicht. 

Anders ist die Sache gelagert, wenn zum Beispiel ein Bankraub (Funkzelle A) begangen wurde. Und kurz darauf das Fluchtauto gefunden wird (Funkzelle B). Dann gibt es ein Absaugen der Daten von einem Zeitraum weniger Minuten. Diese Informationen haben Ermittler dann bereits. Hier wird bevor es zu einer tatsächlichen Auswertung der Rufnummern kommt, kontrolliert, wer sich zum fraglichen Zeitpunkt in den beiden Zellen befunden hat. Diese werden dann ausgeforscht und vernommen.

Anders als in Dänemark. Dort werden trotz mehreren EuGH-Urteilen gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung weiterhin die Daten gesammelt. Mittlerweile hat der Europäische Gerichtshof bereits die EU-Richtlinie zur massenhaften Datenspeicherung für ungültig erklärt.

>>> Guardian

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