Freiwilligenarbeit: Ein Lächeln als Belohnung

Die Kursteilnehmer an der Akademie der Zivilgesellschaft der Wiener VHS sind eine vielfältige Gruppe, gemeinsam sind ihnen der Sinn und das Engagement für die Gemeinschaft.
Die Kursteilnehmer an der Akademie der Zivilgesellschaft der Wiener VHS sind eine vielfältige Gruppe, gemeinsam sind ihnen der Sinn und das Engagement für die Gemeinschaft.(c) Johne/AdZ
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In Österreich leisten rund 3,5 Millionen ehrenamtliche Helfer etwa 14 Millionen Arbeitsstunden. In Lehrgängen können sie sich professionalisieren.

Ausbildungen in dem Bereich sind spärlich gesät, und doch scheint das Bewusstsein zu steigen, dass auch in der Freiwilligenarbeit einiges an Lernpotenzial stecken könnte. Im Oktober startet erstmals in Oberösterreich ein Lehrgang für ehrenamtliche Tätigkeit. Der Titel: „Schubkraft – Lehrgang für Engagierte“. „Unser Hauptziel ist es, ehrenamtlich Engagierten Werkzeuge in die Hand zu geben, die ihre Arbeit erleichtern“, sagt Richard Schachinger, Sprecher des Offenen Kunst- und Kulturhauses (OKH) Vöcklabruck. Inhaltlich befasst sich der Lehrgang im Wesentlichen mit drei großen Bereichen, wie Schachinger erklärt: Freiwilligenmanagement und Communitybuilding, um Engagierte motiviert zu halten und Neue zu gewinnen. Öffentlichkeitsarbeit, um die eigene Arbeit und Beteiligungsmöglichkeiten sichtbarer zu machen, und schließlich Nachhaltigkeit.

Aufgebaut ist der Lehrgang in sechs Modulen, die sich auch mit Finanzierung und Förderungen sowie dem Finden von Freiwilligen beschäftigen. „Freiwilligenarbeit wird dort geleistet, wo es einen konkreten Bedarf oder ein wichtiges Anliegen gibt. Wo staatliche Angebote durch den Strukturwandel zurückgehen oder wirtschaftliche Alternativen nicht rentabel sind, bleibt in der Region oft bloß das eigene Engagement. Gleichzeitig steigt wohl allgemein das Bedürfnis, die Lebensqualität vor Ort zu verbessern“, weiß Schachinger.

Zeit und Motivation notwendig

Doch es müssen auch gewisse Voraussetzungen geschaffen sein, dass Freiwillige gern Kraft und Zeit zur Verfügung stellen, weiß der Experte: „Zuvorderst sozioökonomische, schließlich muss man sich Ehrenamt leisten und es zeitlich gut unterbringen können. Abseits davon spielen eigene Erwartungen, Motive und letztlich die Organisationskultur eine große Rolle.“ Dazu gehöre, dass Ideen gehört, Meinungen gefragt und Arbeit geschätzt würden. Durch aktive Kommunikation „steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Engagierte am Ball bleiben“.

Vor allem im kirchlichen Umfeld wird ehrenamtlicher Arbeit ein großer Stellenwert beigemessen. Hier ortet man ebenfalls Know-how-Bedarf, auch oder gerade weil sich Freiwilligentätigkeiten im Wandel befinden: „Hat man früher ,einfach getan‘ und die anstehenden Arbeiten ausgeführt, so wollen heute Ehrenamtliche ihre Arbeit professionell machen. Dabei möchten sie ihre persönlichen Kompetenzen gut einsetzen und qualitätsvolle Arbeit für die Menschen, für die Pfarre, für die Kirche vor Ort leisten“, sagt Johann Artner, Leiter des katholischen Bildungswerkes im Burgenland.

Pastoralamt und das Forum Katholischer Erwachsenenbildung der Diözese Eisenstadt veranstalten gemeinsam einen Lehrgang für Ehrenamtliche namens „Evangelium leben – Kirche gestalten“. Der Herbstlehrgang hat in Oberpullendorf bereits begonnen, im Kloster von Güssing startet er nächste Woche. In acht Modulen lernen die Teilnehmer neben kirchlichen Inhalten wie man Gruppen leitet, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sowie Projektgestaltung. Ein nachträglicher Einstieg ist bis zum zweiten Modul möglich. Nach drei Jahren zeigen sich Erfolge: „Bewegt hat mich die Aussage einer Teilnehmerin, dass sie sich die Übernahme der Tätigkeit als Vorsitzende des Pfarrgemeinderates ohne unseren Lehrgang nicht zugetraut hätte, diese Funktion aber nun bereits seit mehr als drei Jahren durchführe. Menschen zu stärken und zu motivieren – genau das möchten wir in unserem Lehrgang erreichen“, sagt Artner.

„Ehrenamt-Start-ups“

Geschichten von gelungenen „Ehrenamt-Start-ups“ gibt es in der Akademie der Zivilgesellschaft. Beispielsweise die eines Vaters, dessen Tochter in frühen Jahren an Diabetes Typ 1 erkrankte: „Mit unserer Unterstützung hat er eine Austauschplattform gegründet, auf der sich betroffene Eltern aus ganz Österreich vernetzen und sich über diesen selteneren Diabetes-Typ und seine Auswirkungen austauschen können“, berichtet Brigitte Pabst, Direktorin der Akademie der Zivilgesellschaft der Wiener VHS. Dort startet Anfang Oktober der Herbstlehrgang für Menschen, die bereits eine Idee für ein ehrenamtliches Projekt haben oder sich nur engagieren möchten. Inkludiert sind neun Module, Einzelcoachings sowie die Teilnahme an der Projektwerkstatt. „Immer mehr Menschen wollen ehrenamtlich tätig werden, weil sie einen Beitrag für die Gesellschaft leisten und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten wollen. Vielen ist bewusst, dass Geld allein nicht glücklich macht“, sagt Pabst. Diese Menschen suchten nach einem zusätzlichen Sinn im Leben, nach Gemeinschaft und Selbstwirksamkeit. „Das alles kann ehrenamtliche Arbeit bieten – und am Ende des Tages bekommt man sogar ein Danke oder ein Lächeln. Das motiviert ungemein und setzt weitere Energien frei“, sagt Pabst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2019)

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