Überall Wasser! Allein Westschweden zählt nicht weniger als 8000 Inseln
Kaffee mit Kanelbullar

Göteborg: Schweden mit ganz viel Zimt und Sternen

Schwedens zweitgrößte Stadt hat viel Grün und hübsche kleine Kanäle. Sie ist idealer Ausgangspunkt für Kanu-Sightseeing, Wanderungen und Ausflüge zu den idyllischen Schäreninseln.

Die Schweden lieben „Fika“, die obligatorische Kaffeepause, zu der, ob am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, immer etwas dazu gegessen wird. Kanelbullar zum Beispiel, die köstlichen Zimtschnecken, die manchmal das Format eines Speisetellers annehmen können und die nicht nur im Winter die Seele wärmen. Oder Kuchen mit so lustigen Namen wie Kladdkaka (Schoko) oder Morotskaka (Karotte). Im Café Husaren in der Altstadt von Göteborg sind die Köstlichkeiten aufgetürmt – und es gibt angeblich die größten Zimtschnecken der Welt. Vielleicht sogar die besten?

Jedenfalls fühlt man sich gleich wohl in der Haga Nygata mit ihrem Kopfsteinpflaster, den Holzhäusern, den kleinen Boutiquen und gemütlichen Restaurants. Wir sind mit dem Fahrrad unterwegs – eine geruhsame und praktische Art, sich durch Göteborg zu bewegen. Wenn auch nicht die originellste – die wir aber auch gleich ausprobieren. In wenigen Minuten sind wir in Lilla Bommen, am Hafen, angelangt, wo ein zum Restaurant umfunktionierter ausrangierter Viermaster der schwedischen Handelsmarine zum Dinieren einlädt und das angeblich hässlichste Haus Schwedens steht, das wegen seiner roten Farbe „Läppstift“/„Lippenstift“ genannt wird.

Wer mutig ist, kann Göteborg mit dem Kajak erkunden.
Wer mutig ist, kann Göteborg mit dem Kajak erkunden. (c) Kjell Holmner/Göteborg&Co

Aus der Paddlerperspektive

Hier starten die Mutigen im Kajak zur Besichtigungstour. Ein bisschen mulmig kann einem schon werden, wenn man in so einem schmalen, wackeligen Ding ins Wasser geschubst wird. Aber mit jedem Paddelschlag wächst das Selbstvertrauen – und schon gleitet man lautlos übers Wasser und kann die Stadt aus dieser ungewöhnlichen Perspektive anschauen, die allerdings eher bei Schönwetter zu empfehlen ist, weil: Ein bisschen Spritzwasser kriegt man dabei schon ab. Wer lieber seine Armmuskeln schonen will, der kann die Stadtrundfahrt in einem der flachen Paddan-Boote machen, auf denen sich die Touristen kurz nach der Abfahrt schon tief auf die Sitze drücken, damit sie nicht von einer der extrem niedrigen Brücken einen neuen Scheitel gezogen bekommen.

Auch wenn die riesigen Kräne der stillgelegten Schiffswerft als Industrie-Mahnmale in den Himmel ragen: Göteborg ist trotz aller Geschäftigkeit und seiner knapp 600.000 Einwohner eine naturnahe Stadt. Auch das fühlt sich heimelig an. Die Grünoasen sind nah: Allein im Botanischen Garten, den sich in den 1840er-Jahren der Gartenbaufanatiker und Kapitän Henric von Normann einbildete, kann man locker einen Tag verbringen. Wer sich am Infostand beim Eingang Zeit nimmt, weiß auch, wo es gerade am schönsten ist: Die Dahlien blühen von Juli bis September, der japanische Garten beeindruckt von April bis September, die Fleischfresser und Orchideen im Gewächshaus sind das ganze Jahr eine verlässliche Attraktion. Der Taschentuchbaum ist von Ende Mai bis Anfang Juni am schönsten, wenn seine zarten Blüten wie feine Papiertücher zwischen den Blättern winken.

Ein Aussichtspunkt auf einem der für die Region typischen Granitfelsen im Botanischen Garten legt einem die Stadt zu Füßen. Gleich nebenan erstreckt sich ein großes Naherholungsgebiet – das Naturreservat Änggårdsbergen –, wo man wandern, mountainbiken und reiten kann, sogar grillen ist erlaubt. Eine Heidelandschaft wie aus dem Bilderbuch, mit kleinen Seen, hübschen Rastplätzen und putzigen Schafen, die sich nur fotografieren lassen, wenn sie in Stimmung sind (und auf der Suche nach den besten Halmen kurz den Kopf heben).

Die Fischmarkthalle „Feskekörka“ (Fischkirche).
Die Fischmarkthalle „Feskekörka“ (Fischkirche). (c) Kjell Holmner/Göteborg&Co

Raus nach Marstrand!

Aber egal, wie sehr man diese Stadt und ihre herzerwärmende Gastfreundschaft auch genießen mag – wann immer es Zeit und Wetter zulassen, sollte man sich auf den Weg in den Schärengarten machen. Allein Westschweden zählt nicht weniger als 8000 Inseln, die ersten Ausflugsziele sind gerade einmal zwanzig Minuten mit der Fähre von Göteborg entfernt. Wir haben uns für Marstrand entschieden, eine Kleinstadt auf den Inseln Marstrandsö und Köö, deren Bewohner interessante Geschichten zu erzählen haben.

Hier drehten die schwedischen Pop-Superstars von Abba das Video zu „The Winner Takes It All“ (viel sieht man von dem idyllischen Eiland darauf allerdings nicht). Hier wurde einst das Heringöl produziert, mit dem sogar die Straßenlaternen in Paris befeuert wurden. Hier ließ sich der Schwedische König Oscar II. Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Sommerhaus (das heute als schickes Grand Hotel fungiert) zwei Ein- und Ausgänge einrichten, damit die Mätressen ungehindert ein- und ausgehen konnten. Nicht zu vergessen der schlaue Lasse-Maja, der sich in Frauenkleidern oder als Haushälterin verkleidet an Männer heranschlich, um sie zu bestehlen, bis er 1813 geschnappt und zur Zwangsarbeit beim Bau der örtlichen Festung verdonnert wurde. Als König Karl XIV. Johann das Gefängnis besuchte, soll er von Lasse-Majas Kochkünsten so entzückt gewesen sein, dass er ihn nach 26 Jahren Haft begnadigte.

Sauna mit Meerblick

Marstrand ist ein guter Ausgangspunkt, um die umliegende Inselwelt zu erkunden. Auch aus einem ganz praktischen Grund: Hier stehen im Vergleich zu den entlegeneren oder kleineren Inselchen mehr Hotelbetten zur Verfügung. Nach Marstrand kommt man, um zu segeln, zu wandern oder mit einer der kleinen Fähren Ausflüge zu unternehmen. Auf die Insel Dyrön zum Beispiel, wo man die Zutaten für ein Picknick im kleinen Lebensmittelladen nahe der Bootsanlegestelle kaufen und dann nach den Mufflons Ausschau halten kann, die es hier geben soll.

Für die Hauptattraktion der Insel braucht man allerdings eine Reservierung. Ein Schild am Wanderweg weist die Richtung: „Bastu“ steht darauf. Wenige Meter weiter findet man die Hütte mit Grillplatz, Terrasse, Meerblick – und Sauna. Vor ein paar Jahren wurde sie zu Schwedens schönster elektrischer Sauna gekürt. Jeder, der sich vorab im Internet seinen Platz sichert, kann hier für 60 Kronen (umgerechnet ca. 5,60 Euro) zwei Stunden lang schwitzen (es wird sogar vorgeheizt). Maximal zwölf Leute passen rein – gut möglich also, dass man bei der Gelegenheit auch die eine oder andere Bekanntschaft macht. Tauchbecken gibt es übrigens keines – aber ein paar Meter weiter eine Stiege hinunter ins das ganze Jahr über erfrischende Meer . . .

Überall auf den Inseln ist man dem Wasser, dem Granit und dem (Sternen-)Himmel so nah. Der Anblick der bunten Holzhäuser und schunkelnden Boote trägt zusätzlich zur Entschleunigung bei. Nicht zu vergessen das Essen: Die Menschen genießen vor allem, was aus dem Wasser auf den Tisch, den Griller oder in die Räucherkammer kommt. Allein in „Åstols Rökeri“ auf Dyröns winziger Nachbarinsel werden 1,5 Tonnen Shrimps pro Saison geräuchert.

Zum Landgang laden die Zimtschnecken in den Cafés (im Bild) und die Fischmarkthalle „Feskekörka“ (Fischkirche) ein.
Zum Landgang laden die Zimtschnecken in den Cafés (im Bild) und die Fischmarkthalle „Feskekörka“ (Fischkirche) ein. (c) Thomas Lotter

Es ist Hummer-Saison

Von Mitte September bis November ist Hummer-Saison und die Einheimischen versenken Körbe mit gesalzenem Fisch oder verwesten Lachsköpfen als Köder, um sie zu fangen. Mindestens acht Zentimeter muss der Hummer vom Auge bis zum Anfang des Schwanzes messen, um ihn aus dem Wasser nehmen zu dürfen. Berührungsängste mit Meerestieren werden hier schon den Kindern ausgetrieben: Die picken das Fleisch aus Muscheln, befestigen es mit einer Wäscheklammer an einer Schnur und versuchen, die gierigen kleinen Krabben aus dem Hafenbecken zu fischen. Jeder Fang ein Jubelschrei. Und wenn der Kübel mit den Krabbeltieren voll ist, werden sie wieder in die Freiheit entlassen – nur um sie gleich wieder an Land zu ziehen . . . und zu jubeln.

WESTSCHWEDEN

Hotel Waterfront Göteborg: 4-Sterne-Hotel mit Blick auf den Hafen: hotelwaterfront.se

Essen: Sjömagasinet (Fisch und Meeresfrüchte direkt am Hafen); Familjen (raffi- nierte Küche, Wohnzimmeratmosphäre); Kungstorget (traditionell, zentral); Café Husaren (Zimtschnecken in der Altstadt)

Bootsfahrten: Kajaken oder Stand-up-Paddeln in Göteborg mit Paddlagbg: goteborg.com; Sightseeing mit Paddan-Booten: stromma.com

Marstrand: Drei Stunden mit dem Schiff ab Göteborg mit „Fika“: stromma.com/sv-se/stockholm; Übernachtungsmöglichkeit: Marstrand Havshotell.

Essen: Tenan im Grand Hotel (traditionell & mit Atmosphäre); Ottos Kök (im Havshotell); beste Konditorei am Platz: Bergs Konditori

Åstol: „Åstols Rökeri“ (eigene Räucherei; öffnet erst wieder im April)

Dyrön: Sauna-Reservierung unter dyron.se

Compliance: Die Reise erfolgte auf
Einladung von Visit Sweden, visitsweden.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2019)

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