Reflexionen der Hagia Sophia
Istanbul

Die Rückkehr von Istancool

Sie gehörte vor allem unter jüngeren Besuchern zu den beliebtesten Destinationen Europas, galt als Symbol für Moderne und Tradition. Dann kam der dramatische Einbruch, von dem sich die Stadt jetzt aber nach und nach erholt.

Was in New York der Times Square ist, in London der Trafalgar Square, in Berlin der Alexanderplatz und in Barcelona die Plaça de Catalunya, ist in Istanbul der Taksim-Platz. Mit seiner dort beginnenden, rund drei Kilometer langen Istiklal-Straße, die durch den Stadtteil Beyoğlu im europäischen Teil Istanbuls über den Galatasaray-Platz zum Tünel-Platz führt, ist der „Taksim meydanı“, wie ihn die Einheimischen nennen, der vielleicht einzige Ort der 15-Millionen-Metropole, der rund um die Uhr belebt und beleuchtet ist. Ein Istanbul-Trip ohne Besuch des Taksim-Platzes hat nicht wirklich stattgefunden. Taksim ist so etwas wie das Gesicht der Stadt.

Ob Einkaufsmöglichkeiten, Bars, Restaurants, Theater, Museen, Galerien, Kinos, historische Gebäude, Moscheen, Kirchen oder Synagogen – in Taksim, wie auch das Viertel rund um den Platz heißt, findet sich alles. Der Platz, der durch die Gezi-Proteste im Sommer 2014 traurige Berühmtheit erlangte, glich in den ein, zwei Jahren danach einem Hochsicherheitstrakt mit omnipräsenten Polizisten und Soldaten, weswegen dieser besonders europäisch anmutende und weltoffene Stadtteil Istanbuls an Charme einbüßte.

Blick über die Stadt
Blick über die StadtGetty Images (Chris McGrath)

Boom, Einbruch, Boom

Von dieser pessimistischen Stimmung ist aber mittlerweile kaum etwas geblieben. Der Platz und seine Umgebung sind Schritt für Schritt zu altem Selbstbewusstsein zurückgekehrt, es werden sogar wieder T-Shirts mit der Aufschrift „Istancool“ verkauft – einer Zuschreibung, die die Stadt im Zuge des Tourismus-Booms verpasst bekam, der Mitte der 2000er-Jahre begann und knapp zehn Jahre anhielt. Ehe 2016 drei Attentate (nahe der Blauen Moschee, im Flughafen und im Club Reina in der Silvesternacht) sowie ein gescheiterter Putschversuch mit einer anschließenden beispiellosen Verhaftungswelle die Strahlkraft der Stadt massiv beschädigten. Der Tourismus brach innerhalb eines Jahres um ein Drittel ein. Erholte sich aber auch wieder – aktuell mit hervorragenden Aussichten.

So kamen in den ersten vier Monaten dieses Jahres 4,5 Millionen Besucher nach Istanbul – ein Anstieg um mehr als 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verantwortlich dafür sind vor allem wieder Urlauber aus Europa, die die Stadt in den vergangenen vier, fünf Jahren gemieden hatten. Die meisten Besucher stammen im Übrigen aus Deutschland (310.000 Touristen, ein Anstieg um zehn Prozent), noch größer ist der Anstieg bei Besuchern aus Spanien (45 Prozent), Österreich (44 Prozent) und Frankreich (22 Prozent). Im dritten Quartal 2019 wird Istanbul einer Studie der Tourismusbehörden in Europa zufolge sogar der größte Tourismusgewinner Europas sein – vor allem wegen des neuen Großflughafens und geringer werdender Sicherheitsbedenken. Im Juli beispielsweise erreichten die Hotels in der Innenstadt eine Auslastung von annähernd 100 Prozent, in den Wintermonaten waren es immer noch 80 Prozent, im Schnitt kostet ein Zimmer pro Nacht 80 Euro.

Großflughafen und neue Hotels

Weswegen auch kaum eine Woche vergeht ohne Neueröffnung eines Hotels – besonders im Luxussegment. Mit dem Barceló Istanbul etwa eröffnete die Gruppe zuletzt ihr drittes Haus in der Stadt. Das Fünf-Sterne-Hotel befindet sich wie die beiden Vier-Sterne-Häuser der Gruppe, das Occidental Pera Istanbul und das Occidental The Public, rund fünf Gehminuten vom Taksim-Platz entfernt.

Der im April dieses Jahres in Betrieb genommene Flughafen ist ein Prestigeprojekt des Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan. Als globales Drehkreuz soll er vor allem Dubai Konkurrenz machen. Nach Angaben der Betreibergesellschaft wird er zunächst rund 90 Millionen Reisende im Jahr abfertigen. Nach vollständiger Fertigstellung soll er eine Kapazität von 200 Millionen Passagieren pro Jahr erreichen. Das würde ihn nach derzeitigem Stand zum größten Flughafen der Welt machen. Wovon Turkish Airlines, die schon jetzt das größte internationale Streckennetz bieten, enorm profitieren wird.

Auch Österreich ist im Übrigen sehr gut an das Netz angebunden. Transitpassagieren, die auf dem Flughafen Istanbul einen sechs- bis 24-stündigen Zwischenstopp einlegen, werden seit Kurzem kostenlose Bootstouren über den Bosporus und geführte Touren ins Stadtzentrum angeboten.

Barcelo
BarceloBarcelo

„Stadt der Festivals“

Die aktuelle Aufbruchsstimmung in der Stadt ist auch dem im Juni gewählten charismatischen Bürgermeister Ekrem Imamoğlu zu verdanken, der Istanbul zur „Stadt der Festivals“ machen will, „um Menschen aus aller Welt anzuziehen“. Istanbul solle wieder zu jener coolen Stadt werden, die sie vor 2015 war. Auch, was die Bar- und Disco-Kultur der Stadt angeht.

Und diese hat es in sich. Wer in Istanbuls Nachtleben eintauchen will, sollte dem Babylon in Beyoğlu, einer Tanzbar mit täglichen Livekonzerten und vernünftigen Preisen, einen Besuch abstatten. Die 360-Grad-Bar auf der Istiklal-Straße bietet einen atemberaubenden Blick auf die Meerenge – tagsüber ist es ein Restaurant, abends eine Disco. Traumhafte Aussicht auf den Bosporus gibt es auch vom Club Sortie aus im Stadtteil Beşiktaş. Das Sortie gilt auch als eines der besten Restaurants der Stadt.

Zu den beliebtesten Touristenattraktionen tagsüber zählt nach wie vor die Blaue Moschee – benannt nach den vielen blau-weißen Fliesen, die die Kuppel und den oberen Teil der Mauern zieren. Sie ist die prunkvollste Moschee Istanbuls und stellt ein Hauptwerk der osmanischen Architektur dar. Keine 500 Meter weiter steht die Hagia Sophia, eine einst byzantinische Kirche, die später eine Moschee wurde und heute ein Museum ist. Sie befindet sich in Eminönü, einem Stadtteil im europäischen Teil Istanbuls.

Taksim-Platz
Taksim-PlatzGetty Images (Chris McGrath)

Dort, wo auch der Große Basar täglich eine halbe Million Menschen anlockt – ein überdachter Markt, der sich über 31.000 Quadratmeter erstreckt und rund 4000 Geschäfte (Gewürze, Bekleidung, Süßigkeiten, Schmuck etc.) beherbergt. Viele kennen die Szenerie mit der Landschaft aus roten Ziegeln auf dem Dach aus dem James-Bond-Film „Skyfall“. Direkt am Ufer der europäischen Bosporus-Seite befindet sich der Dolmabahçe-Palast. Er diente ab dem 19. Jahrhundert dem Sultan als Residenz und beeindruckt mit seiner prachtvollen Fassade sowie seinen verspielten Innenräumen.

Zurück nach Taksim und zur dringendsten Empfehlung für Besucher – einer Fahrt in der historischen Straßenbahn durch die Istiklal-Straße. Die Strecke wurde 1990 eröffnet und wird mit renovierten Originalfahrzeugen betrieben. Sie fahren mit Schrittgeschwindigkeit und halten mehrmals an, sodass man genug Zeit hat, die Straße mit den Dutzenden Seitengassen zu besichtigen – und ihn einzuatmen, den Spirit von Istancool.

SEHENSWÜRDIGKEITEN

Topkapı-Palast. Der Topkapı-Palast ist ein beeindruckender Bau in exponierter Lage direkt am Bosporus. Er diente in den vergangenen Jahrhunderten den Sultanen als Wohn- und Regierungssitz.

Cisterna Basilica. Auch als versunkener Palast bekannt, wurde die unterirdische Zisterne um 532 n. Chr. zur Speicherung von Wasser für den heute zerstörten großen Palast erbaut. Noch heute können die beeindruckenden Säulen besichtigt werden, um die herum sich immer noch Wasser befindet.

Hagia Sophia. Eine einst byzantinische Kirche, die später eine Moschee wurde und heute ein Museum ist. Sie befindet sich in europäischen Stadtteil Eminönü.

Compliance. Die Reise nach Istanbul erfolgte auf Einladung der Barceló Hotel Group (www.barcelo.com) und Turkish Airlines (www.turkishairlines.com).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2019)

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