Ärger-Pause

Dem Kerl, der mich in der U-Bahn gegen die Mittelstange geschubst hat, wäre ich am liebsten auf die Zehen getreten. Und einer Frau hätte ich gern den Rucksack heruntergerissen.

Am Montag habe ich mich über einen Radfahrer geärgert. Er kam mir in der Salvatorgasse entgegen, die eigentlich eine Einbahn ist. Ich war richtig. Er war falsch. Er und sein Lastenrad, mit dem er um die Kurve kam. „Hey!“, habe ich gerufen. „Hey, Sie!“ So ein Affe, und lässt sich nicht einmal zu einer Entschuldigung herab.

Am Dienstag fand ich die Touristen im Haus unmöglich. Die Wohnung neben uns wird nämlich über booking.com angeboten, und die derzeitigen Mieter haben den stinkenden Müll einfach vor die Türe gestellt. In welchem Land stellt man den Müll auf den Gang, noch dazu wenn er stinkt? Hier jedenfalls nicht! Wir haben, bitte sehr, Koloniakübel.

Am Mittwoch wäre ich diesem Kerl in der U-Bahn am liebsten auf die Zehen getreten. Und zwar mit dem Stöckel: Er hat mich doch glatt gegen die Mittelstange geschubst! Und einer Frau hätte ich gern ihren Rucksack heruntergerissen. Es ist hier eh so eng.


Gelber Zettel. Am Donnerstag rief mich eine ligurische Firma an. Seit ich vor zehn Jahren einmal überteuerten Kaffee und ranziges Olivenöl bestellt habe, will man mir alle paar Monate wieder überteuerten Kaffee und ranziges Olivenöl andrehen, und alle paar Monate wieder sage ich der Dame am anderen Ende der Leitung, sie soll mich gefälligst in Ruhe lassen. Diesmal habe ich so getan, als sei ich gar nicht die Frau Eibel-Steiner. Sie hat weitergeredet. Ich habe gesagt, ich sei allergisch auf italienische Produkte. Sie hat weitergeredet. Ich habe aufgelegt. Sie hat wieder angerufen. Da habe ich sie angebrüllt.

Am Freitag habe ich mich geärgert: über die Kellnerin, die mir stilles Wasser gebracht hat statt eines mit Kohlensäure. Über den alten Mann mit seinem kläffenden Pinscher. Über den Briefträger, der wieder einmal nur einen gelben Zettel hinterlassen hat, obwohl mein Mann den ganzen Tag über zu Hause war. Und sonst noch allerlei.


Geschubst. Am Samstag machte ich Ärger-Pause. Vielleicht, weil der Tag so schön war. Woher, dachte ich mir, sollen die Touristen eigentlich wissen, dass bei uns die Müllkübel im hinteren Lichtschacht stehen? Der Postler ist im Stress, der U-Bahn-Kerl hat vermutlich nur das Gleichgewicht verloren. Und die Frau hat sich nichts dabei gedacht; das kenne ich, ich möchte nicht wissen, wer mir letzte Woche aller gern auf die Zehen gestiegen wäre.

Dass ich der ligurischen Telefonistin gegenüber laut geworden bin, tut mir übrigens leid. Fremden Leuten überteuerten Kaffee und ranziges Öl andrehen zu müssen, ist schlimm genug. Da braucht man wirklich nicht noch einen, der herumbrüllt.

Kaufen werde ich trotzdem nichts.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2019)

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