Film

Der König stellt Downton Abbey auf den Kopf

Lady Violet (Maggie Smith) sagt leise Adieu.
Lady Violet (Maggie Smith) sagt leise Adieu.(c) Universal
  • Drucken

„Downton Abbey“ funktioniert als Spielfilm nicht. Das werden auch die treuesten Fans schweren Herzens erkennen. Die Geschichte hinter der Serie ist politischer, als man glaubt, und erklärt mitunter das heutige Brexit-Dilemma der Briten.

Im Cabrio, aber ohne Zofe, Hausdiener und Kindermädchen, fährt Lady Edith mit ihrem Ehemann in Downton Abbey vor, was den Vater, Lord Grantham, dezent irritiert. Sein Schwiegersohn ruft ihm beim Aussteigen zu: „Es ist 1927, wir sind modern, liebe Leute.“ Gut, ganz so modern auch wieder nicht. Wir sind immer noch in Downton Abbey, und das Personal ist auch nach der Pensionierung von Butler Mr. Carson weitgehend vollzählig – und wieder einmal in hellem Aufruhr. Denn König George V. und Königin Mary haben ihren Besuch angekündigt, mit einem Lunch im Schloss, einer Parade im Ort und einem festlichen Ball.

Ein Besuch des Staatsoberhauptes wäre Grund genug für Aufregung. Weil die Royals aber gar nicht modern sind, kommen sie sehr wohl mit Butler, Koch und Hausdamen; sie schicken sie sogar voraus, um Downton königsfit zu machen. So werden die Bediensteten von Mr. Barrow und Köchin Mrs. Pattmore abwärts im Grunde gar nicht gebraucht, womit der zentrale Handlungsstrang des ersten „Downton Abbey“-Spielfilms erklärt ist. Ein klassischer Machtkampf zwischen den Bediensteten der Granthams und jenen der Königsfamilie. Und eigentlich ist sehr bald klar, wer den gewinnen wird.

Das Experiment, die britische Erfolgsserie nach 52 Folgen in sechs Staffeln und mehr als drei Jahren Pause als Spielfilm zurückzubringen, muss leider für gescheitert erklärt werden. Das geschäftige Geplänkel vor dem Königsbesuch, die kleineren und größeren Intrigen „upstairs and downstairs“, wie die Briten die Bewohner eines adeligen Haushalts unterteilen, funktionieren auf großer Leinwand nicht. Trotz der bekannten Streicher-Signation und aller Publikumslieblinge, die wieder dabei sind, von Lady Mary (Michelle Dockery), die immer mehr die Geschicke von Downton übernimmt, über den irischen Schwiegersohn Tom Branson (Allen Leech) bis zur Dowager Countess Violet Crawley (Maggie Smith). Der sind leider die kultigen ironischen Sprüche à la „What is a weekend?“ ausgegangen. Stattdessen hat sie die kitschigste Szene in diesem Film bekommen.

Lady Violet kommt die Ironie abhanden

In dieser verrät sie, dass sie krankheitsbedingt nicht mehr allzu lang leben werde. Just als die Enkelin sich fragt, was sie mit Downton machen soll. Es behalten und so weiterführen wie bisher oder verkaufen und in die Stadt ziehen? Lady Violet weiß natürlich, was zu tun ist. Das Haus und seine Rituale soll sie festhalten – sie sei die Zukunft, nicht ihr Vater. „Du bist das Beste von mir, und das lebt weiter.“ Das ist der eine Moment für's bestickte Taschentuch. Mehr gibt es nicht.

Doch den Konflikt zwischen Retro-Nostalgie und Aufbruch in neue Zeiten, in denen vielleicht einmal homosexuelle Beziehungen erlaubt sein werden (wie Butler Mr. Barrow hofft), deutet der Film nur sehr dezent an. Er bleibt sonst lieber bei der bierernsten Verklärung längst vergangener Zeiten. Doch Großbritannien hat sich seit dem Ende der Serie „Downton Abbey“ im Jänner 2016 verändert, ein halbes Jahr später stimmten die Briten für den Ausstieg aus der EU. Julian Fellowes, der Autor und Regisseur von „Downton Abbey“, war stets Befürworter eines harten Brexit. So mancher Kommentator macht die Serie zu einem kleinen Teil mitverantwortlich für das Ergebnis des Referendums im Juni vor drei Jahren. Weil sie jahrelang die gute alte Zeit des Commonwealth verherrlicht und romantisiert hat und bei den Zusehern den Eindruck erweckt hat, es gäbe die Chance auf eine Rückkehr in diese alte Welt(ordnung).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.