Digitalpolitik

Internet: Recht auf Vergessenwerden nur in der EU

(c) APA/AFP/JOHANNES EISELE
  • Drucken

Der EuGH schränkt die Rechte der Bürger, unangenehme Informationen aus den Suchergebnissen von Google löschen zu lassen, geografisch ein. Er verpflichtet die Suchmaschinen jedoch zu penibler Interessenabwägung.

Brüssel. Wie weit reicht das Recht des europäischen Bürgers, auf eigenen Wunsch im Internet vergessen zu werden? Bis zu den Außengrenzen der EU, befand der Gerichtshof der EU (EuGH) in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil. Vor fünfeinhalb Jahren hatte der Gerichtshof diesen individuellen Rechtsanspruch definiert, wonach man zum Schutz des eigenen guten Rufes oder der Privatsphäre unter bestimmten Bedingungen die Löschung persönlicher Informationen aus den Ergebnissen von Suchmaschinen verlangen kann. Mit seinem neuen Urteil in der Sache C-507/17 machte der EuGH jedoch klar, worauf Kenner der rechtlichen Lage schon länger hinwiesen: Das Recht der Union hat keine extraterritoriale Wirkung. Sprich: Die EU kann, wie sie das mit der − im konkreten Fall einschlägigen − Datenschutzgrundverordnung und deren in sie eingearbeiteten Vorgängergesetzen tat, zwar versuchen, globale Standards für die Einhegung des digitalen Raumes zu schaffen. Sie kann jedoch nicht ihr eigenes Recht über ihre Grenzen hinaus verbindlich machen.

Ein Pyrrhussieg für Google?

Die Anwälte des Suchmaschinengiganten Google, dessen Streit mit der französischen Datenschutzbehörde den Ausgang für dieses Urteil bildete, vertraten diese Rechtsansicht und fühlten sich nun bestätigt. „Der Betreiber einer Suchmaschine ist nicht verpflichtet, eine Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen“, hält der EuGH fest.

Doch schon der nächste Satz in der Zusammenfassung des Urteils wirft die Frage auf, ob dies nicht ein Pyrrhussieg für Google sein könnte. Der Suchmaschinenbetreiber sei „jedoch verpflichtet“, die Auslistung (also Streichung) von zu Recht beanstandeten Suchergebnissen „in allen mitgliedstaatlichen Versionen vorzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Internetnutzer davon abzuhalten, von einem Mitgliedstaat aus auf die entsprechenden Links in Nicht-EU-Versionen der Suchmaschine zuzugreifen“.

Google muss also sehr wohl technische Vorkehrungen treffen, um das Recht auf Vergessenwerden in allen Versionen seiner Suchmaschine zu respektieren, die es in der vielsprachigen EU gibt. Und, was in den spontanen Reaktionen auf das Urteil unterging: Google muss auch dafür sorgen, dass man von EU-Boden aus nicht mittels VPN (also einer verschlüsselten anonymen Verbindung) diese außerhalb der EU verfügbaren Suchergebnisse aufruft.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat Google seit dem im Mai 2014 erfolgten ersten EuGH-Urteil 845.501 Anträge erhalten, Suchergebnisse zu löschen. Das betraf in Summe 3,3 Millionen Links auf Webseiten. 45 Prozent dieser Anträge gab Google statt.

In einem zweiten Urteil vom Dienstag, das einen Fall mit Beteiligung Googles betrifft (C-136/17), hält der EuGH ziemlich strenge Pflichten zur Interessenabwägung fest. Überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit, per Suchmaschine Webseiten mit heiklen personenbezogenen Informationen (etwa über Gerichtsverfahren) zu finden? Oder jenes der betroffenen Personen auf Schutz der Privatsphäre? Google könne sich nicht darauf berufen, selbst keine derartigen Informationen zu veröffentlichen, sondern nur auf sie zu verweisen. Daher müsse das Unternehmen prüfen, ob es „unbedingt erforderlich“ für die Informationsfreiheit ist, umstrittene Links in Suchanfragen zu Personen aufzuführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

"Recht auf Vergessen"

Google muss Suchergebnisse nicht weltweit löschen

Der EuGH hat entschieden: Das „Recht auf Vergessen“ gilt nicht global. Damit hat sich der US-Dienst gegen französische Datenschützer durchgesetzt.
Suchergebnisse löschen

"Recht auf Vergessen": EuGH präzisiert Rahmenbedingungen

Nach fünf Jahren soll das Recht auf das Löschen von Google-Links aus Ergebnissen verfeinert werden. Der EuGH urteilt am Dienstag darüber.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.