Einen Tag vor seinem Auftritt als Macbeth erklärte der Startenor seinen Rückzug von der New Yorker Met. Die Staatsoper hält an geplanten Auftritten fest.
Einen Tag vor einem Auftritt in der Titelrolle der Oper "Macbeth" hat Placido Domingo seinen kompletten Rückzug von der New Yorker Metropolitan Opera bekannt gegeben. Der spanische Startenor zog damit die Konsequenzen aus der in den USA hitzig geführten Debatte über Belästigungsvorwürfe gegen ihn. An der Wiener Staatsoper hält man an seinen Auftritten fest.
Nachdem im August die Belästigungsvorwürfe bekannt geworden waren, gab es Absagen für mehrere Konzerte Domingos in den USA. Anfang September wurden weitere Vorwürfe gegen den der 78 Jahre alten Star publik. Offenbar erheben elf weitere Frauen Anschuldigungen gegen den Opernstar. Dabei gehe es um ungewollte Berührungen, Belästigung oder andere unangebrachte Handlungen. Die Vorfälle reichen zurück bis in die 1980er Jahre.
Sorgen um ein Klima, in dem zuerst verurteilt wird
"Ich weise die Anschuldigungen gegen mich entschieden zurück und mache mir Sorgen um ein Klima, in dem Menschen ohne angemessene Untersuchungen verurteilt werden, aber nach einigem Nachdenken glaube ich, dass mein Auftritt in der 'Macbeth'-Inszenierung von der harten Arbeit meiner Kollegen auf und hinter der Bühne ablenken würde", hieß es in einer schriftlichen Erklärung Domingos, die von der "New York Times" veröffentlicht wurde. Deswegen habe er um Entbindung von seinen vertraglichen Pflichten gebeten. "Und ich danke der Führung der Met, dass sie meine Bitte freundlicherweise akzeptiert haben."
Domingo zeigte sich "glücklich" darüber, dass er im Alter von 78 Jahren die Titelrolle in der Kostümprobe von "Macbeth" singen durfte, "was mein letzter Auftritt auf der Bühne der Met gewesen ist".

Die Met hatte ursprünglich erklärt, dass sie das Ergebnis einer Untersuchung der Oper in Los Angeles abwarten wolle. Nun ging es aber schneller, hinter den Kulissen dürfte es viel Wirbel gegeben haben. Und auch Druck auf den Tenor. Die Oper gab eine Mitteilung heraus, in der sie den Rückzug Domingos „von allen weiteren Aufführungen“ bestätigte. „Die Met und Herr Domingo stimmen darin überein, dass er abtreten musste.“
Auftritt an der Oper, Ehrung aber verschoben
An der Wiener Staatsoper sieht man dagegen weiterhin keinerlei Grund, von den für 25. und 28. Oktober sowie für 1. November geplanten Auftritten Domingos als "Macbeth" abzusehen. Man verweist dort auf gültige Verträge und eine unveränderte Situation, in der die erhobenen Vorwürfe gegen Domingo rechtlich weiter unbewiesen bzw. ungeklärt seien. Vergangene Woche war allerdings die für 20. Oktober in der Wiener Staatsoper geplante Ehrung Domingos mit dem Europäischen Kulturpreis abgesagt worden. "Placido Domingo und das Europäische Kulturforum haben gemeinsam entschieden, die Auszeichnung auf den 3. Oktober 2020 in Bonn zu verschieben", hieß es von den Veranstaltern.
Bei den Salzburger Festspielen war Domingo heuer vom Publikum demonstrativ bejubelt worden. Auch seine österreichischen Sängerkollegen zeigten sich bisher eher solidarisch bzw. zurückhaltend: "Nach meinem heutigen Wissensstand ist es eher unwahrscheinlich, dass von Domingo derzeit Gefahr ausgeht", sagte etwa Elisabeth Kulman im "Standard".
Und Günther Groissböck hielt die Causa jüngst im "Kurier“ für "ein Symptom für den Wahnsinn unserer Zeit. Wo sind wir denn hingekommen? Man kann inzwischen jeden nur durch Gerüchte aus dem Berufsleben kippen. Vielleicht bin ich da etwas konservativ, aber solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, ist er für mich unschuldig."

Domingos Karriere als Tenor und später Bariton dauert bereits mehr ein halbes Jahrhundert. Er kam bisher auf mehr als 4.000 Auftritte, nahm mehr als hundert Alben auf und wurde mit 14 Grammys ausgezeichnet. Weltberühmt wurde er durch seine Auftritte mit Luciano Pavarotti und Jose Carreras als "Die drei Tenöre". Im Mai 2017 wurde der 50. Jahrestags des Staatsopern-Debüts des Kammersängers und Staatsopern-Ehrenmitglieds mit einer dreistündigen, umjubelten Gala gefeiert.
(APA/dpa)