Leitartikel

Ein gewaltiger Zusatzrucksack für künftige Generationen

Knapp vor der Wahl hat der Nationalrat noch einen ordentlichen Zusatzrucksack für kommende Generationen geschnürt (Archibild).
Knapp vor der Wahl hat der Nationalrat noch einen ordentlichen Zusatzrucksack für kommende Generationen geschnürt (Archibild).(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Knapp vor der Wahl hat der Nationalrat noch schnell elf Milliarden Euro an „Vorbelastungen für künftige Finanzjahre“ durchgewinkt.

Knapp vor der Wahl hat der Nationalrat noch einen ordentlichen Zusatzrucksack für kommende Generationen geschnürt. Von der Öffentlichkeit, die sich auf die ebenfalls beschlossenen Pensions-, Steuer- und sonstigen Zuckerln konzentrierte, weitgehend unbeachtet. Dabei geht es um satte elf Milliarden Euro: So viel haben die Parlamentarier als „Vorbelastung für künftige Finanzjahre“ beschlossen. Für den Ausbau des Nahverkehrs in der Ostregion.

Zusatzrucksack deshalb, weil wir ja schon eine ganze Reihe solcher Vorbelastungen haben. Allein jene für die Bundesbahn steigen damit auf 52 Milliarden Euro. Insgesamt liegen die Vorbelastungen dadurch schon bei rund 133 Milliarden Euro.

„Vorbelastungen für künftige Finanzjahre“, muss man wissen, sind Ausgaben, die bereits fix beschlossen (und teilweise schon konsumiert) sind, für die der Staat aber die entsprechenden Kredite noch nicht aufgenommen hat. Weshalb das Ganze auch noch nicht in den Staatsschulden aufscheint. Sie sind also eins zu eins künftige Staatsverbindlichkeiten, an denen es nichts mehr zu rütteln gibt.

Wenn wir jetzt ein bisschen milchmädchenrechnen und das in Relation zur österreichischen Bevölkerung bringen, dann hat das Parlament so ganz nebenbei jedem Österreicher zusätzlich zu den bestehenden 32.000 Euro Staatsschulden, die auf ihn entfallen, ein Paket über künftige Kreditaufnahmen von 15.000 Euro geschnürt. Davon 6000 Euro für die Bahn. Ein Tausender an Verbindlichkeiten wurde ihm allein in der jüngsten, denkwürdigen Vorwahl-Parlamentssitzung in der Vorwoche dazugepackt.

Natürlich ist das noch gar nicht aufgenommene Geld nicht verloren. Wir bekommen ja etwas dafür. Manchmal Sinnvolles, manchmal weniger Sinnvolles. Nachdem man damit künftige Generationen belastet, könnte man allerdings Größenordnungen hinterfragen. Zum Beispiel könnte man überlegen, ob „Vorbelastungen“ von 52 Milliarden Euro für ein Verkehrsunternehmen, das etwas mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz macht, davon weniger als die Hälfte echten Marktumsatz, angemessen sind.

Gut, das ist keine wirtschaftliche, sondern eine verkehrspolitische Entscheidung. Man will die Tendenz, dass Transporte nach wie vor trotz aller politischen Beteuerungen und Absichtserklärungen von der Schiene auf die Straße wandern, umdrehen. Und man will im Personenverkehr Alternativen zum Auto bieten.

Für Ersteres hat man im Budget erst einmal Vorbelastungen über 41 Milliarden Euro reserviert. Unter anderem für ein in der Endabrechnung wohl zehn Milliarden Euro teures Tunnelprojekt in Tirol, dem noch ziemlich lang die Zu- und Ablaufstrecken in den Nachbarländern fehlen werden. Das also die ihm zugedachte Aufgabe erst in Jahrzehnten wird erfüllen können. Da hätte man sich budgetschonend ruhig mehr Zeit lassen können.

Die restlichen elf Milliarden Euro sind, wie gesagt, für den Ausbau des Personennahverkehrs in der Ostregion reserviert. Ein sinnvolles Projekt, bei dem man aber nachfragen muss, ob es nicht auch günstiger gegangen wäre. Denn da geht es unter anderem auch um den „Ankauf“ von Verkehrsdienstleistungen, die die Bahn nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht erbringen würde, durch die öffentliche Hand.

Und da wurde – unter tatkräftiger Mitwirkung der angeblichen Wirtschaftspartei ÖVP und von freiheitlichen Verkehrsministern – der von der EU demnächst vorgeschriebene Wettbewerb in Form von öffentlichen Ausschreibungen dieser Dienstleistungen erfolgreich abgewürgt: Man hat schnell noch alles auf mindestens zehn Jahre freihändig an die ÖBB vergeben.

Ist auch logisch: Wer wird denn schon so genau auf Ausgaben schauen, wenn man die Steuerzahler per einfachem Parlamentsbeschluss unbegrenzt „vorbelasten“ kann. Ist doch bequemer: Bis diese Vorbelastungen in den Staatsschulden und im Budget auftauchen, genießen die „Vorbelaster“ ohnehin schon ihre Pension. Wer braucht da anstrengenden Wettbewerb?

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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