Sonderbericht

Die düsteren Prognosen des Weltklimarats

Das arktische Meereis nimmt mit jedem Monat ab und wird dünner. Der Arktische Ozean verliert rasant seine Substanz, wenn die Erderwärmung voranschreitet.
Das arktische Meereis nimmt mit jedem Monat ab und wird dünner. Der Arktische Ozean verliert rasant seine Substanz, wenn die Erderwärmung voranschreitet. (c) APA/AFP/JOHANNES EISELE
  • Drucken

Niemand werde von den Hitzewellen, Überschwemmungen und der Eisschmelze verschont bleiben, warnen die Autoren des IPPC. Ein Überblick.

Monte Carlo. „Jeder auf der Welt wird betroffen sein“: Der Weltklimarat (IPPC) warnt in seinem in Monaco vorgestellten Sonderbericht vor den verheerenden Folgen durch den Klimawandel und zeichnet ein ungemein düsteres Bild von der Zukunft, wenn nicht rasch tief greifende Maßnahmen ergriffen werden. Allein die bisherigen Prognosen, was den Anstieg des Meeresspiegels betrifft, seien zu vorsichtig gewesen, heißt es.

Während die Bewohner von Küstenregionen mit mehr Überschwemmungen rechnen müssten, betreffe das Schmelzen der Gletscher unmittelbar die Bewohner in den Bergen. Die Mittel zur Eindämmung der Krise seien hinlänglich bekannt: Reduzierung der Treibhausgase, Schutz der Ökosysteme, bedachter Umgang mit natürlichen Ressourcen. „Das Wichtigste, das aus dem Bericht hervorgeht, ist, dass wir eine Wahl haben“, sagt der britische Ozeanograf und Mitautor des Berichts, Martin Meredith. „Die Zukunft ist nicht in Stein gemeißelt.“ Nachfolgend ein Überblick, was die mehr als 100 Wissenschaftler zusammengetragen haben.

Gletscher

670 Millionen Menschen in höher gelegenen Bergregionen sind bei der Wasserversorgung auf Gletscher angewiesen. Aber der Klimawandel lässt sie schnell zurückgehen – erst vor wenigen Tagen wurde der Gletscher Pizol in der Schweiz symbolisch beerdigt, nachdem dieser weggeschrumpft war. Das Schmelzen der Gletscher führt nur vorübergehend zu einem Anstieg des Wasserabflusses und der -versorgung. Wenn jedoch die Speicher von Gletscherwasser schrumpfen, wird sich dieser Effekt umkehren und Flüsse könnten austrocknen. Kleinere Gletscher in Regionen wie Ostafrika oder Indonesien verlieren bis 2100 voraussichtlich mehr als 80 Prozent ihrer derzeitigen Eismasse, wenn die Emissionen hoch bleiben.

Meeresspiegel

Der durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verursachte Klimawandel treibt die Temperaturen in die Höhe und erwärmt das Meer, wodurch es sich ausdehnt. Das wiederum führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Schmelzende Gletscher und Eisschilde tragen ebenfalls dazu bei. Während sich der globale Meeresspiegel im 20. Jahrhundert um etwa 15 Zentimeter anhob, steigt er jetzt doppelt so schnell – eine Entwicklung, die sich wohl noch beschleunigen wird. Im Klimasystem ist inzwischen so viel Erwärmung eingetreten, dass der Meeresspiegel noch Jahrhunderte lang weiter ansteigen wird. Wenn die Treibhausgas-Emissionen stark sinken und die Erwärmung auf weit unter zwei Grad Celsius begrenzt wird, wie im Pariser Abkommen von 2015 festgelegt, könnte der Anstieg des Meeresspiegels bis zum Ende des Jahrhunderts zumindest auf etwa 30 bis 60 Zentimeter begrenzt werden.

Meeresökosysteme

Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane, der Verlust von Sauerstoff und Veränderungen in der Nährstoffversorgung treffen die marinen Ökosysteme bereits hart. Marine Hitzewellen haben sich seit 1982 in ihrer Häufigkeit verdoppelt und werden voraussichtlich noch schlimmer. Bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius dürften sie 20 Mal häufiger auftreten als in vorindustriellen Zeiten. Steigen die Emissionen weiter stark, werden Meereshitzewellen sogar 50 Mal häufiger auftreten.

Arktisches Meereis und Permafrost

Das arktische Meereis nimmt mit jedem Monat ab und wird immer dünner. Wenn die globale Erwärmung bei 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau stabilisiert wird, wäre der Arktische Ozean nur einmal in hundert Jahren im September – dem Monat mit dem wenigsten Eis – eisfrei. Wenn die globale Erwärmung zwei Grad erreicht, könnte dieses Phänomen alle drei Jahre auftreten.

Der seit vielen Jahren gefrorene Permafrost taut auf. Auch wenn die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt bleibt, wird bis 2100 rund ein Viertel der oberen Schicht des weltweiten Permafrostes aufgetaut sein. Arktischer Frost und Permafrost auf der nördlichen Erdhalbkugel enthalten große Mengen an altem Kohlenstoff und könnten die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre deutlich erhöhen. Es ist unklar, ob der auftauende arktische Permafrost bereits begonnen hat, Kohlendioxid oder Methan in größerem Umfang freizusetzen.

Hochwasser und Sturmfluten

Setzt sich die Erwärmung fort, werden starke Sturmfluten – die in der Vergangenheit einmal pro Jahrhundert beobachtet wurden – in vielen Regionen regelmäßig und viel häufiger auftreten. Das erhöht die Risken für viele niedrig gelegene Küstenstädte und kleine Inseln. Eine Zunahme der Intensität und des Ausmaßes von Sturmfluten und der Niederschlagsraten tropischer Wirbelstürme erhöht die Gefahren. (Reuters/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Klimaaktivisitin Greta Thunberg hielt eine emotionale Rede beim UN-Klimagipfel.
UN-Klimagipfel

"How dare you!": Thunberg wirft Regierungen unter Tränen Versagen vor

Sichtlich aufgewühlt und mit den Tränen kämpfend brachte die 16-jährige Aktivistin ihre Verzweiflung über die Politik beim UN-Klimagipfel zum Ausdruck. Überraschend tauchte auch US-Präsident Trump auf - und traf ungeplant auf die Schwedin.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.