Gastkommentar

Türkis-blaue Medienpolitik: Da ist noch Luft nach oben

(c) Peter Kufner
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Presseförderung, Informationsfreiheitsgesetz, ORF-Reform. Die medienpolitische Bilanz der vergangenen Regierung fällt bescheiden aus.

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„Ich habe mit vielen Journalistinnen und Journalisten ein sehr gutes, respektvolles Miteinander gepflegt. [. . .] Ich möchte jetzt explizit ein Medium erwähnen [. . .], das der FPÖ wahrlich nicht nahesteht. Aber die journalistische Arbeit, die der „Falter“ im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Tage geleistet hat, war nicht davon geprägt, dass sie unfair gewesen wäre.“

Das waren die Worte des designierten FPÖ-Parteichefs Norbert Hofer bei einem Auftritt im Mai drei Tage nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Ein ungewöhnliches Lob aus dem Mund eines FPÖ-Spitzenpolitikers. Ein paar Monate davor gab es da noch einen ganz anderen Zugang. Gemäß einer „Empfehlung“ aus dem Kabinett des damaligen FPÖ-Innenministers, Herbert Kickl, sollte die Polizei den Kontakt zu kritischen Medien wie dem „Falter“ auf ein Minimum herunterfahren. Nach vehementer Kritik lenkte Kickl ein. Zuletzt hatte auch die ÖVP so ihre Probleme mit dem „Falter“. Nachdem über Ungereimtheiten bei der Wahlkampffinanzierung der ÖVP berichtet worden war, verwehrte die ÖVP einer „Falter“-Journalistin den Zutritt zu einer Pressekonferenz. Auch wenn in der Wahlkampfintensivphase bei allen die Nerven blank liegen, war das keine professionelle Reaktion (den Streit trägt die ÖVP mittlerweile vor Gericht aus). Unter der türkis-blauen Regierung gab es eine Reihe von Angriffen der FPÖ auf Journalisten, u. a. auf „ZiB2“-Anchor Armin Wolf und „ORF-Report“-Chef Wolfgang Wagner.

Druck gab's immer, aber so?

Druck auf den ORF auszuüben, war freilich auch den von der SPÖ angeführten Regierungen nicht fremd. Die öffentliche Diffamierung von einzelnen Journalisten wegen kritischer Fragen ist allerdings neu. In der Folge fiel Österreich im Ranking von Reporter ohne Grenzen von Platz elf auf Platz 16. Einschüchterung und der Wunsch nach „Hofberichterstattung“ sind mit dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht vereinbar.

Türkis-Blau arbeitete darüber hinaus an einem neuen ORF-Gesetz. Die FPÖ forderte vehement die Abschaffung der GIS-Gebühren und eine Finanzierung des ORF über das Bundesbudget. Die ÖVP hielt sich dazu bedeckt. Eine Budgetfinanzierung würde die Abhängigkeit des ORF verstärken. Der Generaldirektor müsste jedes Jahr wie ein Bittsteller zur Regierung pilgern und wäre von deren gutem Willen abhängig. Das Ergebnis: beeinflusstes Staatsfernsehen.

Wie könnte man die Autonomie des ORF steigern? Der Stiftungsrat als Aufsichtsgremium des ORF sollte radikal reformiert werden. Die Anzahl seiner Mitglieder (derzeit 35) sollte verkleinert werden – das „Board“ der weitaus größeren BBC hat 14 Mitglieder, der Verwaltungsrat des Schweizer Fernsehens neun. Gefragt sind überschaubare Strukturen, transparente Abläufe sowie qualifizierte und bekannte Mitglieder, die den Parteien die Stirn bieten und als „Verteidiger des Allgemeinwohls“ auftreten. Nur dann kann die interessierte Öffentlichkeit die Entscheidungen des Gremiums nachvollziehen und überprüfen. Ein zivilgesellschaftlich besetztes Komitee sollte für die Besetzung des Stiftungsrats zuständig sein, Parlament und Regierung sollten außen vor bleiben.

Das nächste wichtige Thema ist die Reform der Presseförderung. Sie sollte an journalistischen Qualitätskriterien anknüpfen. Anhaltspunkte sind der Journalisten-Kollektivvertrag, Redaktionsstatute und die Mitgliedschaft beim Presserat. Eine wissenschaftliche Studie legte das bereits 2013 nahe – sie verschwand jedoch sang- und klanglos in einer Schublade des Kanzleramts. Zudem wären innovative journalistische Onlineprojekte förderwürdig. Um die derzeit mit 8,9 Mio. Euro dotierte Presseförderung zu erhöhen, müsste man lediglich die Inserate der Regierung und regierungsnaher Unternehmen zurückfahren. Schätzungen zufolge werden dafür 190 Mio. Euro pro Jahr ausgegeben. Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass dieses Geld für „Hofberichterstattung“ sorgen soll. Obendrein ist der Informationsgehalt der Inserate enden wollend. Dass das Wasser der Schwimmbäder der Stadt Wien sauber ist, braucht wohl nicht extra beworben zu werden. Also Schluss mit dieser Steuergeldverschwendung.

Einsparungspotenzial gäbe es auch bei den aufgeblasenen PR-Teams der Ministerien. Die Verwendung dieser Gelder für den Journalismus hätte zudem den Effekt, dass das finanzielle und personelle Ungleichgewicht zwischen dem PR-Apparat der Regierung und den Redaktionen der Medien verringert wird. Die Medien mussten zuletzt aufgrund verlorener Werbegelder an Google, Facebook und Co. zahlreiche Stellen abbauen. Der Ansatz der türkis-blauen Regierung, die großen Internetfirmen steuerlich in die Pflicht zu nehmen, erscheint da logisch. Dazu ist jedoch eine entschlossene Allianz auf EU-Ebene erforderlich.

Noch eine Initiative von Türkis-Blau ist kritisch zu bewerten: Um gegen Hasspostings vorzugehen, wollte Medienminister Gernot Blümel eine Registrierungspflicht für User im Internet einführen – Stich(un)wort „digitales Vermummungsverbot“. Die meisten Hasspostings erfolgen mit Klarnamen – die Verursacher sind also ohnehin bekannt. Außerdem zeigt das Beispiel Südkorea, dass eine Registrierungspflicht zu einem ausgewachsenen Datenmissbrauch durch Hacker führen kann. Für manche politische Beobachter dient das Gesetz auch dazu, den linksliberalen „Standard“ mit seinen beliebten anonymen User-Foren zu schwächen. Im Wahlkampf ist die FPÖ übrigens von der Gesetzesidee abgerückt.

Vermummung abgeblasen

Ein wesentlicher Impuls wäre ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetz, das die Recherche der Journalisten erleichtert. ÖVP-Chef Sebastian Kurz machte sich vor Jahren dafür stark. Da sich die Verwaltung nur allzu gern hinter dem Amtsgeheimnis versteckt, sind Journalisten oft darauf angewiesen, Informationen anonym zugespielt zu bekommen. Das Informationsfreiheitsgesetz der Stadt Hamburg ist ein gutes Vorbild – damit ein derartiges Gesetz realisiert wird, bedarf es jedoch eines ähnlich tiefgreifenden Skandals wie in Hamburg rund um den Bau der Elbphilharmonie.

Die medienpolitische Bilanz der türkis-blauen Regierung fällt eher bescheiden aus, da ist durchaus noch Luft nach oben. Dass Medienpolitik oft von Parteiinteressen geleitet wird, ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch demokratiegefährdend. In einer Zeit, in der Quatsch und Falschmeldungen in den sozialen Medien rasant Verbreitung finden, sollten alle politischen Kräfte, die sich einer liberalen und offenen Gesellschaftsordnung verpflichtet fühlen, an die Worte Heinrich Heines denken: „Das ist eben der Segen der Pressefreiheit, sie raubt der kühnen Sprache der Demagogen allen Zauber der Neuheit und neutralisiert das leidenschaftliche Wort durch ebenso leidenschaftliche Gegenrede.“

Stichwort Medienpolitik: Bei den Österreichischen Medientagen diskutieren heute, Donnerstag, die Mediensprecher von fünf der antretenden Parteien zum Nationalrat und Vertreter von VÖZ, VÖP, IGMA und ORF, 17 Uhr, Hauptbühne, Erste-Campus.

Der Autor

Dr. Alexander Warzilek ( *1975) ist studierter Jurist und seit 2010 Geschäftsführer des Österreichischen Presserats. Der Presserat wurde als Selbstregulierungseinrichtung der Printbranche eingerichtet. Jeder Leser kann über einen Artikel in einem Printmedium eine Mitteilung an den Presserat machen (per Brief bzw. per E-Mail an info@presserat.at).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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