Umwelt

Österreich gegen „grünes EU-Pickerl“ für Atomkraftwerke

(c) REUTERS (Regis Duvignau)
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Deutschland und Österreich stemmten sich in Brüssel gegen die Aufnahme von Atomkraft in den Katalog nachhaltiger Finanzinstrumente. Ohne Erfolg. Auch Kernkraft und Kohle können künftig „grün“ sein. Zudem wurde das Projekt um zweieinhalb Jahre nach hinten verschoben.

Brüssel/Wien. Das Versprechen der neuen EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, war eindeutig: Europa bekommt einen „Green Deal“. Unter ihrer Führung sollen Hunderte Milliarden Euro in umweltfreundliche Technologien und Branchen fließen. Die Fördertöpfe der EU reichen dafür nicht aus, auch Private sollen ihr Geld in nachhaltigeren Branchen investieren. Bis Jahresende wollte Brüssel das erste Gütesiegel für „grüne Investments“ vorlegen, um das Kapital in die „richtige“ Richtung zu lenken. Doch das Projekt läuft nicht ganz so wie geplant.

Am gestrigen Mittwoch stimmten die Mitgliedstaaten über die sogenannte Taxonomie ab, in der Kriterien festgelegt werden sollen, was als nachhaltiges Investment gelten soll und was nicht.

Gemeinsam mit Deutschland und Luxemburg verweigerte Österreich dem vorliegenden Entwurf die Zustimmung. Dieser „könnte Geld in Technologien bringen, die weder sicher noch nachhaltig sind“, heißt es in einem Statement, das die drei Länder unterzeichnet haben. Tatsächlich ließ der Vorschlag einige Hintertüren offen, sodass auch Atomkraftwerke oder Kohlekraftwerke als „grüne Investments“ gelten könnten. „Atomenergie ist keine nachhaltige Energie. Daher hat Österreich heute auch gegen das Verhandlungsmandat gestimmt“, erklärt Finanzminister Eduard Müller. „Gemeinsam mit anderen Atomausstieg-Staaten sind wir in Brüssel entschieden dagegen aufgetreten.“ Gebracht hat es aber nur wenig. Die Mehrheit der Mitgliedsländer nickte den Entwurf ab.

Projekt verschoben auf 2022

Damit dürfen nicht nur fossile Technologien auf grüne Milliarden hoffen. Das gesamte Projekt wurde am Mittwoch um über zwei Jahre nach hinten verschoben. Statt dem ursprünglichen Starttermin 2020 wird nun Dezember 2022 angepeilt. Viele Mitgliedstaaten wehrten sich im Vorfeld gegen das grüne Pickerl für Finanzprodukte, da sie Nachteile für ihre nationalen Industrien befürchteten. So ist Frankreich etwa von der Nuklearenergie abhängig, Polen wiederum von der Kohlekraft.

Die Verzögerung hat Auswirkungen. Denn das erste Gütesiegel habe den gesamten Sektor einen gewaltigen Schritt nach vorn gebracht, erklären Experten aus dem Finanzministerium. „Die Taxonomie der EU wird zum Standard werden für die Branche“, meinen sie. Nicht nur Staaten und staatsnahe Financiers wie die Europäische Investitionsbank, sondern auch private Fondsanbieter würden sich daran orientieren.

Solang aber nicht klar sei, ob auch Atomkraft als grünes Investment angesehen werde, könne Österreich nicht dafür stimmen. Der mehrheitlich abgesegnete Entwurf schließt keine Technologie im voraus aus – und ignoriert damit die Empfehlungen einer eigens eingesetzten Expertengruppe.

Noch ist das Thema aber nicht durch. Die finnische Ratspräsidentschaft wird Gespräche mit dem EU-Parlament aufnehmen, das ebenfalls sein Placet geben muss. Im Vorfeld hatten manche EU-Parlamentarier zwar Widerstand gegen ein grünes Gütesiegel für nukleare und fossile Energien angekündigt. Eine offizielle Deklaration zu diesen Punkten gibt es bisher allerdings nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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