Gesetzesbeschluss

Schutz vor Gewalt: Höhere Strafen, mehr Prävention

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Das umstrittene Paket für mehr Schutz vor Gewalt hat den Nationalrat passiert. Damit wird nicht nur für betroffene Frauen einiges anders – auch für Ärzte, Psychotherapeuten und Opfer von Wohnungseinbrüchen.

Wien. Frauen, regungslos auf dem Steinpflaster des Josefsplatzes liegend, ihre weißen Gewänder und teils sogar die Gesichter sind mit roter Flüssigkeit verschmiert. In der Mitte eine Kartonkiste, Aufschrift „Gewaltschutzpaket“, ringsum stehen Frauen mit Schildern, auf denen etwa „Zusammenarbeit mit Expertinnen statt Populismus“, „Frauen vertrauen statt victim blaiming“ oder „Mehr Verurteilungen statt höherem Strafmaß“ stand. Mit dieser Aktion am Mittwochmorgen auf dem Areal der Hofburg, dem aktuellen Sitz des Nationalrats, wollten mehrere Frauenorganisationen noch einmal ihren Protest gegen das Gesetzespaket zum Gewaltschutz kundtun. Dieses wurde von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung vor einigen Monaten geschnürt, bis es am Mittwoch im Nationalrat beschlossen wurde, sollte es aber bis in den Abend dauern.

Schließlich wurden zuletzt, nachdem auf Kritik etwa durch Richtervereinigung, Rechtsanwaltskammer, Gewaltschutzzentren, aber auch durch die SPÖ, Neos, Liste Jetzt und Grüne nicht eingegangen worden war, noch Abänderungsanträge der früheren Regierungsparteien eingebracht, etwa bei der Anzeigepflicht. In Kraft treten sollen die Gesetzesänderungen mit 1. Jänner 2020. Was sich damit ändern soll – ein Überblick.

Strafrecht

Das neue Gesetzespaket sieht eine Reihe von Erhöhungen von Strafdrohungen vor – und das teilweise gegen den Rat der aus Experten bestehenden „Task Force“, die die Ex-Regierung zum Thema beigezogen hatte. Für Vergewaltigung soll die Mindeststrafe von einem auf zwei Jahre erhöht und eine gänzlich bedingte Strafe ausgeschlossen werden. Die Höchststrafe bleibt bei zehn Jahren. Die schon bisher geltenden erhöhten Strafen bei Gewalttaten gegen unmündige Personen sollen künftig auch bei außergewöhnlich brutalen Taten oder bei solchen gegen besonders schutzbedürftige Personen gelten.

Fortgesetzte Gewaltausübung gegen Unmündige soll künftig mit ein bis zehn Jahren (statt sechs Monaten bis fünf Jahren) Haft bestraft werden. Als Erschwerungsgrund beim Verhängen von Strafen wird künftig eine schwere Traumatisierung des Opfers gewertet. Um die Hälfte erhöhte Strafen soll es für rückfällige Gewalt- oder Sexualtäter geben (maximal aber 20 Jahre). Außerdem droht nach Gewalt- oder Sexualstraftaten gegen Kinder, gebrechliche oder behinderte Menschen ein lebenslanges Berufsverbot in einschlägigen Betreuungsjobs. Straferleichterungen für junge Erwachsene sollen bei Gewalt-, Sexual- oder Bandendelikten, auf die fünf Jahre Strafe stehen, gestrichen werden. Für Stalker, die ihr Opfer mehr als ein Jahr lang beharrlich verfolgen, soll der Strafrahmen von einem auf drei Jahre erhöht werden, auch die unerwünschte Veröffentlichung von Nacktfotos und ein Verbreiten von Fotos mit diffamierendem Text (etwa in der Wohn- oder Arbeitsumgebung eines Opfers) sollen verboten werden.

Opferschutz

Erweitert werden sollen auch die Möglichkeiten für Verbrechensopfer, Schmerzensgeld zu beantragen. Die Antragsfrist für Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz soll von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Außerdem soll diese Frist erst nach Abschluss des Strafverfahrens zu laufen beginnen (und nicht mit dem Tatzeitpunkt).

Der Opferschutz soll nicht nur für Betroffene von Gewaltverbrechen erweitert werden: Wer Opfer eines Wohnungseinbruchs wurde, kann künftig Krisenintervention und Psychotherapie beantragen. Das wurde bisher nur bei vorsätzlichen Gewaltdelikten gewährt. In Summe soll das 600.000 Euro kosten. Änderungen gibt es auch bei Schadenersatzklagen gegen Täter: Die 30-jährige Verjährungsfrist beginnt bei Sexualdelikten erst mit dem 18. Geburtstag des Opfers zu laufen.

Betretungsverbot

Schon bisher können Gewalttäter von der Polizei aus einer gemeinsamen Wohnung verbannt werden und dürfen sich dieser in einem Radius von 50 Metern nicht mehr nähern, das ist nach §38a Sicherheitspolizeigesetz geregelt. Neu ist, dass ein solches Betretungsverbot automatisch auch ein Annäherungsverbot beinhalten soll – das gilt, wenn sich die durch ein Betretungsverbot geschützte Person außer Haus begibt ebenfalls in einem Radius von 50 Metern.

Präventionstraining

Um nach so einer Wegweisung zu deeskalieren, sind verpflichtende Gewaltpräventionsberatungen durch „geeignete Gewaltpräventionszentren“ vorgesehen: Demnach hat sich der Gefährder binnen fünf Tagen nach der Anordnung des Verbots mit der Einrichtung in Verbindung zu setzen und einen Beratungstermin zu vereinbaren. Diese Maßnahme soll eine Million Euro pro Jahr kosten.

Fallkonferenzen

2018 wurden die sogenannte Fallkonferenzen vom Innenministerium unter Protest der Opferschutzeinrichtungen abgeschafft. Nun kommen sie wieder: Wie in Sicherheitspolizeigesetz (§22) und Strafprozessordnung (§76) geregelt wird, soll es künftig in Hochrisiko-Fällen wieder gemeinsame Konferenzen von Sicherheitsbehörden und anderen Institutionen, etwa Gewaltschutzzentren, geben. Einberufen werden können diese allerdings nur mehr von der Polizei.

Anzeigepflicht

Die Anzeigepflicht wurde für alle Gesundheitsberufe, von Ärzten über Psychotherapeuten, Hebammen bis zu Heilmasseuren, einheitlich geregelt. Den Verdacht auf Mord oder schwere Körperverletzung müssen Ärzte schon bisher melden, hier gilt ihre Schweigepflicht nicht. Nun wird verankert, dass der begründete Verdacht auf eine Vergewaltigung angezeigt werden muss sowie Misshandlung, Quälen, Vernachlässigung oder sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ausnahmen gibt es, wenn die Anzeige das nötige Vertrauensverhältnis zerstören würde oder wenn sich der Verdacht gegen einen Angehörigen richtet und das Jugendamt informiert wird. Hier haben ÖVP und FPÖ aber zuletzt eingelenkt: Volljährigen soll die Möglichkeit, einer Anzeige zu widersprechen, eingeräumt werden. Es sei denn, es drohe unmittelbare Gefahr.

Namensänderung

Eine Namensänderung für Gewaltopfer, die eine neue Identität brauchen, war schon möglich. Künftig wird auch die Änderung der Sozialversicherungsnummer erlaubt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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