"Schwarze Null"

Gegenwind gegen deutsche Sparmeister wächst

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Die deutsche Regierung hält eisern am ausgeglichenen Budget fest, aber die Stimmen der Kritiker werden lauter. Nun meldet sich ausgerechnet ein Prominenter zu Wort, von dem man das ganz und gar nicht erwartet hätte.

Ausgerechnet Wolfgang Schäuble. Der frühere deutsche Finanzminister steht für die „schwarze Null“ wie kein anderer, die prall gefüllte deutsche Staatskasse ist auch sein Verdienst. Als Deutschland vor drei Jahren den bis dahin höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung schaffte, war die einzige Frage, die sich stellte: Wohin mit dem vielen Geld?

Aber Schäuble ist jetzt nicht mehr Finanzminister, sondern Präsident des Bundestags. Die Rezession steht vor der Tür - und die Debatte, ob Sparsamkeit in Zeiten wie diesen wirklich das Mittel der Wahl ist, gewinnt an Fahrt. Nun hat Schäuble höhere Investitionen gefordert, auch im Ausland. Dazu brauche es Ideen für neue Ansätze, die Investitionen „innerhalb der begrenzten Spielräume unserer Schuldenbremse ermöglichen“, sagte er laut Reuters am Mittwoch in Berlin.

Die Schuldenbremse wurde in Deutschland 2009 beschlossen und steht in der Verfassung. Sie schreibt Bund und Ländern genau vor, wie hoch sie sich verschulden dürfen. Nun bringt Schäuble indirekt eine Abkehr von der „Schwarzen Null“ ins Spiel, indem er auf die Schuldenbremse verweist. Aber es stünden tiefgreifende Veränderungen durch die Globalisierung, Digitalisierung und den Klimawandel an. „Die Bereitschaft, die eigene Mentalität ein Stück weit zu hinterfragen, womöglich auch unser tradiertes Modell, zunächst einmal zu sparen, um das Gesparte dann zu investieren“, wird Schäuble weiter zitiert.

Investitionen dringend gebraucht

Nun ist die Debatte um die Abkehr von der Schwarzen Null längst in vollem Gange. In der SPD, die in einer Koalition mit der CDU regiert, wünschen sich das viele. Aber im konservativen Lager sind die meisten Politiker dagegen. Vor wenigen Tagen hat sich der Chefvolkswirt der Deutschen Bank kritisch geäußert. Er habe wenig Verständnis, „dass die Bundesregierung trotz Konjunkturschwäche noch immer strikt an der schwarzen Null festhalten möchte“, sagte Stefan Schneider zum „Tagesspiegel“. Auch Wirtschaftsvertreter wollen eine Aufweichung des Spardogmas. So hatte sich der Industrieverband BDI für höhere Investitionen ausgesprochen. Zumal sich der Staat mittlerweile zu Negativzinsen verschulden könne - also an den Schulden sogar noch Geld verdient.

Laut der Schuldenbremse darf der Bund konjunkturbereinigt neue Schulden maximal in einer Höhe bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufnehmen. Nächstes Jahr sind das rund fünf Milliarden Euro. Die Anregung vieler lautet nun, dass es zwischen dem Nulldefizit und den Auflagen der Schuldenbremse Spielräume gebe, die es auszunützen gelte. Deutschland könne also die Schuldenbremse einhalten und trotzdem Geld für Investitionen in die Hand nehmen. Kritik gibt es daran, dass genau das eben nicht passiert.

Die Rufe nach einer Aufweichung werden auch deshalb lauter, weil Deutschland unter einem massiven Rückstau der Investitionen ächzt. Bei der Bahn, auf den Straßen, in den Schulen, im Handynetz: Vielerorts gibt es großen Bedarf an Neuerungen. Die Infrastruktur reiche nicht aus, „um den Wohlstand für die Zukunft zu sichern“, sagte Marcel Fratzscher, Chef des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, im März zur „Presse“. Und er ist nicht alleine. Gabriel Felbermayr, Leiter des renommierten Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, bezeichnete die hohen deutschen Budgetüberschüsse als „Anlass zur Sorge": Er sei nicht Ausdruck von Sparsamkeit, sondern von Planungsfehlern, so der gebürtige Österreicher.

Debatte über EU-Schuldenregeln

Der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz dürfte also noch wachsen. Scholz, wohlgemerkt ein Sozialdemokrat, sagte erst vor drei Wochen, er bringe nun zum dritten Mal einen Bundeshaushalt ein, „der ohne neue Schulden auskommt“. Der ausgeglichene Haushalt ist auch in der Bevölkerung beliebt - wer sich von ihm verabschiedet, darf nicht unbedingt mit einem Popularitätsschub rechnen. Aber in Zeiten von Konjunkturschwäche und Klimaschutz wird es nicht leicht sein, daran festzuhalten. So haben die deutschen Ministerien für die kommenden fünf Jahre über 30 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen angemeldet, die es zu finanzieren - oder einzustampfen - gilt.

Mit ihrer Sparsamkeit haben sich die deutschen in den letzten Jahren einen ordentlichen Ruf erarbeitet, von vielen beklatscht, von vielen kritisiert. Man darf aber auch nicht vergessen: So vorbildlich war Deutschland nicht immer. Bekanntlich hat die Bundesrepublik mehrmals gegen den EU-Stabilitätspakt verstoßen. Er schreibt eine maximale Neuverschuldung in Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor. Über diesen Pakt diskutiert man derzeit auf EU-Ebene: Die EU-Kommission will die Schuldenregeln unter die Lupe nehmen. Sie gelten als zu kompliziert und sollen nun vereinfacht werden.

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