Bürovisiten

Von Gusshaus bis Stadtelefant

Relaxen, Pause machen – oder doch arbeiten? Beides bietet sich bei „elements“ auf der neuen Treppe im alten Gusshaus gleichermaßen an.
Relaxen, Pause machen – oder doch arbeiten? Beides bietet sich bei „elements“ auf der neuen Treppe im alten Gusshaus gleichermaßen an. (c) Beigestellt
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Ob Altbestand oder Neubau, Büros bekommen immer öfter eine neue Dimension – sie werden räumlich als Konzept erlebbar. Drei Beispiele aus Wien und Salzburg.

Die Zeiten, als Ruß von der elf Meter hohen Decke des alten Gusswerkes auf die Mitarbeiter rieselte, ist lange vorbei. Inzwischen schneit es höchstens in die Halle sechs des revitalisierten Areals, in dem die Full-Service Digital-Agentur elements seit 2013 residiert. Denn in der Mitte der über 2000 m2 großen Halle wurde das Dach aufgeschnitten und ein geräumiger Lichtschacht geschaffen, in dem man im Sommer relaxen und im Winter eine Schneeballschlacht machen kann. Zusätzliche Oberlichtfenster schaffen einen Kontrast zwischen Hell und Dunkel. „Wir haben uns von einer Legebatterie zu einem Freilaufgehege entwickelt“, sagt Geschäftsführer Patrick Edlmayr.

Lichtschacht „mit Jahreszeiten“ in Halle sechs des ehemaligen Gusshauses in Salzburg.
Lichtschacht „mit Jahreszeiten“ in Halle sechs des ehemaligen Gusshauses in Salzburg.(c) Beigestellt

Eingezogen ist die Agentur mit rund 50 Mitarbeitern, inzwischen ist die Belegschaft auf 110 angewachsen. Einen Agenturhund gibt es nicht, dafür zwei Turmfalken, die es sich im hölzernen Dachstuhl der Halle sechs gemütlich gemacht haben und brüten. Dort befinden sich übrigens auch die Klimaanlagegeräte: „Wenn wir etwas versäumt haben, dann das, nicht gleich zu Beginn daran gedacht zu haben“, resümiert Edlmayr.

Im ersten Jahr hatte die Agentur die Halle sechs gemietet, im zweiten gehörte sie ihr. Dem voraus ging die Metamorphose einer alten Industrielocation in ein städtisches Loftbüro. Im Fokus stand dabei vor allem eins: die Bereitstellung einer komfortablen und funktionalen Arbeitsumgebung. Von Anfang an arbeiteten alle Mitarbeiter auf zwei Ebenen in Teams – und wer die historische Produktionshalle betritt, wird über die Ruhe erstaunt sein.

„Von Legebatterie zu Freilaufgehege“: Geschäftsführer Patrick Edlmayr von „elements“.
„Von Legebatterie zu Freilaufgehege“: Geschäftsführer Patrick Edlmayr von „elements“.(c) GRAF SUSI

Offener Kamin

Das mag auch mit den unterschiedlichen Rauminstallationen zu tun haben, die AREA C.I. Design gemeinsam mit den Agenturinhabern initiiert haben. Da findet sich ein „Fireroom“ mit offenem Kamin ebenso wie eine Bibliothek, die über einer mit buntem Mobiliar ausgestatteten Meetingzone thront. In der „Bullshit Free Zone“ wie in abgedichteten Besprechungsräumen kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Der moderne, agile Führungs- und Managementstil hat damit seine äußere Manifestation erfahren. „Wir haben nach dem Einzug gemerkt, wie die Luftigkeit der Location das kreative Arbeiten unterstützt hat“, erzählt Edlmayr. Angenehmer Nebeneffekt: Die gestiegene Mitarbeitermotivation spiegelt sich in gesunkenen Krankenständen. Kein Wunder: Wer sich aus kreativen Motiven aushängen möchte, setzt sich einfach auf eine der Schaukeln und schwingt sich wieder in den Flow.

Auch wenn das Gusswerk mit seiner mehr als hundertjährigen Geschichte als Glockengießerei, Kanonenproduktionsstätte und Maschinenteileherstellung nicht denkmalgeschützt ist, findet man Zitate der Vergangenheit. Etwa die Güterloren, in denen die Maschinengussformen transportiert wurden: „Die Trassen und Kräne haben die einzelnen Gebäude des Gusswerks durchzogen. Heute sind es unsere sechs Kilometer LAN-Kabel.“ Im Eingangsbereich finden sich zwei alte Spundwände, die kurzerhand zur „Hall of Fame“ umfunktioniert wurden. Und die Trophäe „Office of the Year 2018“ des CBRE-Wettbewerbs, den elements in der Kategorie Großraumbüro gewann.

Blick vom oberen Stockwerk des Architekturbüros Franz&Sue, das im Stadtelefant zwei Ebenen als miteinander verbundene Büroräume nutzt.
Blick vom oberen Stockwerk des Architekturbüros Franz&Sue, das im Stadtelefant zwei Ebenen als miteinander verbundene Büroräume nutzt.(c) stadtelefant/franz&sue

Ein Elefant mit Balkonen

Der „Stadtelefant“ steht seit Anfang 2019 im Wiener Sonnwendviertel – an der Bloch-Bauer-Promenade 23. Mit grauem Sichtbeton, sieben Etagen voller Büros, vielen Balkonen, einigen Wohnungen und einem Restaurant im Erdgeschoss ist er natürlich kein Tier, sondern ein Gebäude – geplant vom Architektencluster, der auch im Haus arbeitet.

„Wir fühlen uns schon ein wenig als Pioniere“, erzählt Robert Diem, Mitbegründer und geschäftsführender Gesellschafter des Architekturbüros Franz&Sue. „Wir wollten schon lange ein Haus für uns, um mehr und besser zusammenarbeiten zu können.“ Wir, das ist die Kerngruppe des „Fight Club“, einem monatlichen Treffen von Architekten und Planern, die seit über zehn Jahren besteht. „Da werden Entwürfe gezeigt, besprochen, diskutiert – eine Peergroup für Architekten“, berichtet Diem. Als im Sonnwendviertel die Ausschreibung der Quartierhäuser begann, fassten sich die Architekten ein Herz und bewarben sich mit dem Projekt Stadtelefant: Ein Mix aus Arbeiten und Wohnen, das sich nach außen zur Nachbarschaft öffnet. Das Restaurant im Erdgeschoss, das täglich als Kantine genutzt wird, ist öffentlich und lässt sich im Sommer auf den Platz davor ausweiten. Gäste sind erwünscht. Und warum Elefant? „Das ist ein eindrucksvolles, geerdetes, starkes Tier mit Gemeinschaftssinn und Erinnerungsvermögen“, meint Christian Ambos, ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer von Franz&Sue.

Robert Diem (links) und Christian Ambos, geschäftsführende Gesellschafter und Mitbegründer von Franz&Sue.
Robert Diem (links) und Christian Ambos, geschäftsführende Gesellschafter und Mitbegründer von Franz&Sue.(c) DIMO DIMOV

Innen ist das Konzept klar: Offene Arbeitsatmosphäre mit diversen Rückzugsmöglichkeiten für Besprechungen, zum Kochen, Kaffeetrinken oder Lesen der Bibliotheksfachbücher. Und natürlich zur Erholung: Es gibt Sitznischen und eine Liegekoje – ähnlich einem Zugabteil. „Da haben wir Bezug auf den nahen Hauptbahnhof genommen.“

„Wesentlich für uns war, die Höhe und Variabilität der Räume unseres alten Büros im 6. Bezirk auch hier umzusetzen“, erklärt Diem. Das bedeutete weniger Nutzfläche, „dafür mehr Qualität, weil wir uns trotz der zwei Stockwerke als Team fühlen können“. Möglich wird das durch die mittige Treppe, die am Rand eines großen Kubus mit Sitzstufen die beiden Ebenen verbindet. Auch wenn man gerade im anderen Stockwerk ist, gibt es Sichtkontakt – und die Stufen laden zum Sitzen ein.

Ein bisschen wie im Zugabteil: Sitznischen (im Bild) und eine Liegekoje nehmen Bezug auf den nahen Hauptbahnhof.
Ein bisschen wie im Zugabteil: Sitznischen (im Bild) und eine Liegekoje nehmen Bezug auf den nahen Hauptbahnhof.(c) stadtelefant/franz&sue

Kieselsteine als Strukturgeber

Der Sichtbeton wurde innen gesandstrahlt, was die Kiesel im Material sichtbar macht und eine ansprechende Oberfläche ergibt. „Wir hatten schon einige Interessenten da, die sich das für eigene Projekte überlegen.“ Schallschlucker wie Teppich und andere Oberflächenmaterialien wie Filz halten sich farblich dezent zurück, grau und weiß dominieren. Ausnahme sind die Vorhänge in diversen Farben für die Besprechungsräume: Sie harmonieren mit den Farben der Magneten, die die Mitarbeiter für den Besetzungsplan benutzen. „Ein einfaches System, das einfach gut funktioniert“, meint Ambos.

Viele Dinge wurden lange diskutiert, einige einfach ausprobiert. Die kleinen Regale zwischen den Tischen wurden nicht aus dem alten Büro übernommen, im neuen sollte es transparenter sein. „Die freie Sicht war sehr ungewohnt, aber mittlerweile konnten sich alle damit anfreunden“, berichtet Diem. Und es stellten sich viele interessante Fragen: „Wie viel persönlichen Arbeitsraum braucht man eingentlich, wie viel gesteht man sich zu?“ erzählt Ambos.

Balkone und Terrassen ermöglichen flexible Ortswechsel im Büro. Hier der Blick über das entstehende Sonnwendviertel im 10. Wiener Bezirk.
Balkone und Terrassen ermöglichen flexible Ortswechsel im Büro. Hier der Blick über das entstehende Sonnwendviertel im 10. Wiener Bezirk.(c) DIMO DIMOV

Dass jeder Mitarbeiter seinen eigenen Schreibtisch hat, war von Anfang an klar. „Wir arbeiten zu 95 Prozent im Büro, das ist zu viel für Desksharing.“ Umso wichtiger ist der mögliche Ortswechsel im Büro, auch auf einen der Balkone oder die Terrassen. „Man kann sich bewegen, Sonne genießen, hinlegen – und muss nicht heimfahren oder in den Park“. Wobei die Einbindung der Umgebung zum Konzept gehört. „Es freut uns sehr, dass die Straße vor dem Haus eine Fußgängerzone ist.“ Das nahe Parkhaus wird nicht nur als Schallschutz zur Bahn gelobt, obwohl von 120 Mitarbeitern keiner regelmäßig per Auto anreist. „Ein Parkhaus kann besser in Büros oder Geschäfte umgwandelt werden, wenn in Zukunft weniger Parkbedarf besteht.“

Auch innen ist noch einiges im Prozess – die Pflanzen im Eingangsbereich kamen erst kürzlich dazu, „und es gibt sicher noch einige Anpassungen und Nachjustierungen“, meint Ambos. Er könnte sich etwa einen großen Esstisch aus Holz in der Küche vorstellen. Es wird also noch einiges zum Diskutieren geben.

(c) wallner

Summendes „Wirkungszentrum“

In der Wiener Lindengasse im Bezirk Neubau fühlt man sich eher an Bienen als an Elefanten erinnert. Hier summt es quasi hinter der Jugenstilfassade der Nummer 56. Grund ist der Impact Hub Vienna – einer der ersten Wiener Coworking-Spaces (siehe auch Seite 36–40), der den Fokus auf Start-ups mit nachhaltigen und sozialen Geschäftsideen legt. Übersetzt ist der Impact Hub ein „Wirkungszentrum“, und das spiegelt sich auch in den Räumlichkeiten. Der Wiener Hub beherbergt auf 1600 Quadratmetern alles, was es für gemeinschaftliche Kreativität braucht: Flexdesks, fixe Schreibtische und Büros, Event- und Meetingräume, Skype- und Phonebooths. In jedem Stockwerk gibt es Gemeinschaftsküchen, die auch fleißig genutzt werden. Gestaltet wurden die Räumlichkeiten in Zusammenarbeit mit Alex Rieglers Mumu Design, der auch die Dots Restaurants einrichtete.

Beim Eingang erwarten den interessierten Besucher die Hosts: Sie führen neue Mitglieder in den Hub ein, stellen vor, vernetzen. Gleich dahinter sitzen Zweier- und Dreiergruppen an kleinen Tischen einer Kaffeehausecke oder auf einer Holztribühne. „Diese Stufen standen ursprünglich im ersten Stock. Wir wollten bei der Erweiterung den Stil übertragen und haben sie deshalb hierher gestellt“, erzählt Geschäftsführerin Lena Gansterer. Rechts geht es zum großen Eventraum und der Küche, die gemeinsam für Veranstaltungen gemietet werden können. An den Wänden hängen Fotos eines Mitglieds. „Diesen Bereich nutzen wir immer wieder für kleine Ausstellungen“, erzählt Gansterer. Hier finden auch unzählige Netzwerkevents statt, bei denen sich die Hub-Community entspannt bei Kaffee oder After Work austauschen kann, oder mit interessierten Externen in Kontakt kommt. Zusätzlich verfügt der Impact Hub über Accelerator-Programme, die Kleinunternehmer oder Start-ups in der ersten Phase unterstützen. Das Wissen und die Erfahrung vieler kommt so neuen Mitgliedern zugute.

Wer in Stille arbeiten will, setzt sich in die „Library“. Ein dunkler Holztisch mit grünen Glaslampen löst sofort den Reflex aus, ganz still zu sein. Wie bedruckte Schmetterlinge bedecken aufgeklappte Bücher die Wände. „Das Design war nicht nur eine optische Überlegung, sondern auch eine akustische – die Bücher dämmen den Schall. So sind wir dem Wunsch nach einer ruhigen Arbeitsumgebung nachgekommen“, erklärt Gansterer.

(c) impact hub/CBRE

Schiefe Luster, schräges Vienna

Der erste Stock ist quasi die Urzelle, wo alles begann: 2010, als der Wiener Impact Hub als einer der ersten zehn Hubs weltweit seine Türen öffnete. Die Hürden, mit denen das Gründerteam konfrontiert war: „Damals waren die Worte Coworking oder Start-up lange nicht so sexy wie heute – und sie haben ganz bestimmt keine Türen geöffnet“, erzählt Gansterer, die ein Jahr nach Eröffnung zum Impact Hub Team dazugestoßen war. „Es war sehr viel Eigeninitiative und Privatkapital notwendig.“ Deutlich kleiner als das Erdgeschoss folgt der Bereich dem selben Prinzip – im Zentrum ein gemütliches Gemeinschaftsareal, dessen Holztische einmal in der Woche zum gemeinsamen Mittagessen zusammengeschoben werden. Als Raumteiler fungieren helle Vorhänge, ein Teil der Schreibtische hier verfügt über Tageslichtpaneele. An der Decke sorgen große Luster – strategisch schief aufgehängt – für Altwiener Flair mit neuer schräger Richtung. „Jeder Hub auf der Welt sieht anders aus, denn er spiegelt die lokale Community“, meint Gansterer. Das Prinzip ist aber überall das gleiche: „Wir wollen, dass jene, die hier tätig sind, voneinander profitieren und sich gegenseitig unterstützen.“ Die einzelnen Hubs sind vernetzt und haben eine gesamtheitliche Strategie. Von London – der Heimat des ersten Impact Hub – ist das internationale Hauptquartier mittlerweile nach Wien gewandert. Die Community wird demnächst weltweit werden: Eine App soll die 16.000 Mitglieder von Impact Hubs rund um den Globus virtuell vernetzen.

(c) impact hub/CBRE

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