Heißer Kaffee

An Bord verbrüht: EU-Generalanwalt für strenge Haftung von Fluglinien

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Symbolbild(c) imago/Dean Pictures (Francis Dean)
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Der EU-Gerichtshof prüft auf österreichische Initiative, unter welchen Voraussetzungen Fluglinien für Verletzungen an Bord haften.

Luxemburg. Das Unglück geschah auf dem Heimflug von Spanien nach Österreich: Ein sechsjähriges Mädchen zog sich Verbrennungen zu, als ein Becher mit heißem Kaffee auf einem Klapptischchen vor den Sitzen aus ungeklärter Ursache umkippte. Vertreten durch ihren Vater verlangte die junge Passagierin Schadenersatz von der Fluglinie Niki – genauer von deren Insolvenzverwalterin, denn Niki ist pleite gegangen. Der Streit um die Entschädigung ging bis zum Obersten Gerichtshof (OGH), der seinerseits noch den Gerichtshof der EU (EuGH) einschaltete. Geht es nach dem Willen des dänischen Generalanwalts Henrik Saugmandsgaard Øe hat das Mädchen gute Chancen: Er spricht sich in seinen heute, Donnerstag, vorgelegten Schlussanträgen für eine strenge Haftung der Fluglinien für Unfälle an Bord aus.

Nach Artikel 17 des Übereinkommens von Montreal über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das Teil des Unionsrechts ist, müssen Fluglinien den Schaden ersetzen, „der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat“. Für den OGH ist nicht klar, wie der Begriff „Unfall“ genau zu verstehen ist: vor allem, ob damit nur Zwischenfälle gemeint sind, bei denen sich ein für die Luftfahrt typisches oder mit ihr zusammenhängenden Risiko realisiert hat.

Was heißt „Unfall"?

Nach Meinung von Saugmandsgard Øe kann die Haftung von Fluglinien nicht auf diese Fälle beschränkt bleiben. In seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-532/18 Niki Luftfahrt plädiert er dafür, dass jedes den Tod oder eine Körperverletzung eines Reisenden verursachendes, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen plötzlich oder ungewöhnlich eintretendes Ereignis, das von außen auf den Reisenden einwirkt, einen „Unfall“ darstelle.

Die Begründung des Generalanwalts: Es wäre für Geschädigte übermäßig schwierig, das Vorliegen eines für die Luftfahrt typischen Risikos oder eines ursächlichen Zusammenhangs mit der Luftfahrt nachzuweisen.  Denn sie hätten keinen Zugang zu allen technischen Daten betreffend den Flugverkehr oder -betrieb, über die nur das Luftfahrtunternehmen verfüge. Außerdem würde die Haftung weitgehend leerlaufen, weil zahlreiche Schadensereignisse in ähnlicher Weise auch unter anderen Lebensumständen als im Luftverkehr, nämlich im täglichen Leben, vorkommen könnten. Saugmandsgard Øe will vermeiden, dass die Haftung auf schwerste Störungen im Luftverkehr wie starke Turbulenzen oder gar den Absturz des Flugzeugs beschränkt bleiben.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht verbindlich. In der Mehrzahl der Fälle folgen die Richter aber dem Gutachten des Generalanwalts. Nach der bevorstehenden Entscheidung des EuGH ist dann wieder der OGH am Zug.

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