Eine Ausstellung in Paris blickt auf eine Vertreterin der Design-Avantgarde des 20. Jahrhunderts: Charlotte Perriand.
Das 20. Jahrhundert hat kräftig umgerührt: in den alten, gewohnten Ordnungen, Systemen, Mustern. Politisch, gesellschaftlich sowieso. Technologisch auch. Und gestalterisch war plötzlich auch alles anders als bisher. Auch weil ein paar Menschen noch etwas konsequenter waren in ihren Anschauungen: Wie Charlotte Perriand. Die ästhetischen und funktionalen Ideen der Moderne hat sie mitgetragen. Ein paar Jahre lang auch intensiv mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret. Der Alltag war über ein paar Jahre hinweg ein ganz anderer geworden. Und auch die Räume veränderten sich, in denen man ihn verbrachte. Die Räume zwischen den Häusern. Aber auch vor allem die Räume zuhause. Perriand hat auch an den gewohnten Bildern, Konzepten, wie man wohnt, mitgerüttelt mit neuen Materialien wie Aluminium und Stahlrohr. Aber vor allem mit ihren Ideen und Entwürfen. So manche davon haben noch heute ihren Platz in Interior-Konzepten, aber vor allem auch im Portfolio eines großen italienischen Möbelherstellers: Cassina.
Zuletzt hatte das Unternehmen wieder Gelegenheit, in die Schubladen und Archive zu greifen: Für die Ausstellung „Le monde nouveau de Charlotte Perriand", die die Fondation Louis Vuitton in Paris ab Anfang Oktober zeigt, konnte Cassina nicht nur einige Neuauflagen von Perriands Möbeln beitragen, sondern zum Teil komplette Rekonstruktionen visionärer, historischer Entwürfe, aber auch ganzer Settings. Der „Salon d’Automne" etwa war traditionell der Ort und die Zeit, an denen Perriand ihre Entwürfe präsentierte. Im Jahr 1929 zum ersten Mal gemeinsam mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret. Es war dazu noch eine weitere Premiere: Die Präsentation der inzwischen zu Ikonen gewordenen Stahlrohrmöbel. Damals wurden sie auch kräftig kritisiert, der minimalistische Ansatz hat sich dennoch durchgesetzt, Cassina produziert diese Möbel etwa noch heute. Gemeinsam mit Pernette Perriand Barsac und dem Historiker Arthur Rüegg gelang es, das gesamte ausgestellte Interieur jenen Jahres zu rekonstruieren und in der Ausstellung zu zeigen.
Mobile Architektur. Zukunft war auch eine der Richtungen, in die Charlotte Perriand ihre Augen gern richtete. Auch wenn sie in ihrer bevorzugten Landschaft unterwegs war, den Alpen. 1938 entwickelte sie gemeinsam mit Jeanneret einen außergewöhnlichen architektonischen Ansatz: eine mobile alpine Schutzhütte, die „Refuge Tonneau". Ein Karussell in Kroatien soll sie dazu inspiriert haben. Umsetzen ließ sie den Prototypen in Leichtbauweise mit Alumniumpaneelen, über das sich ein Dach wie ein Regenschirm mit zwölf Speichen spannte. Doch am meisten beeindruckte das Interieur aus Fichtenholz. 2012 hatte Cassina die Mikroarchitektur zum ersten Mal realisiert, auf Basis von Skizzen und Originalnotizen. Normalerweise steht die „Refuge Tonneau" in Meda, nördlich von Mailand, in der Unternehmenszentrale des Möbelherstellers. Für die Dauer der Ausstellung „Le monde nouveau de Charlotte Perriand" ist sie jetzt vorübergehend umgezogen. Nach Paris.
Tipp
Ausstellung.„Le monde nouveau de Charlotte Perriand", ab 2. Oktober in der Fondation Louis Vuitton, Paris.