Im Wahlkampf rissen sich nicht nur Rechtspopulisten um sie: die Opferrolle. Alle Parteien wollten sie spielen. Aber warum ist es für Menschen mit Führungsanspruch so attraktiv geworden, das Opfer zu geben?
Lang gehörte sie der FPÖ allein: die Opferrolle. Sie hatte sich die Rolle auf den Leib schneidern lassen. Ein Kostüm, das saß, das nicht einmal verrutschte, als eine FPÖ-Affäre die türkis-blaue Regierung im Mai erschütterte.
Heinz-Christian Strache nahm damals zwar den Hut als Vizekanzler und als Parteichef. Doch nicht seine Aussagen in der Finca seien das Problem, sagte er zum Abschied. Sondern: Er sei von unbekannten Mächten zu Fall gebracht worden. Als Kanzler Sebastian Kurz anschließend Herbert Kickl aus der Regierung werfen ließ, war der Täter zumindest bekannt. Die FPÖ spielte die Rolle perfekt. Was dann passierte, war deshalb umso interessanter.
Kurz' Ersatzregierung, ein Mix aus ÖVP- und Expertenministern, wurde vom Nationalrat das Vertrauen entzogen. Und plötzlich war ein abgewählter ÖVP-Kanzler das Opfer – das Opfer der Opposition. Flugs plakatierte die Volkspartei: „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden“, nämlich, dass Kurz schleunigst zurück ins Kanzleramt müsse. Der Ton war damit gesetzt.