Designer von Heimtextilien in Österreich kennen einander und kooperieren gern. Das Ergebnis fühlt sich gut an.
Schön langsam kehren sie aus dem Sommerexil zurück, erobern sich wieder die prominentesten Plätze auf der Couch und werden von deren Besitzern umkämpft: Kuschelige Decken und die guten, warmen Federbetten und Daunenpölster werden jetzt buchstäblich wieder umarmt, bekommen neue Bezüge, werden vorsichtig vom Staub des Sommers gereinigt oder durch neue Exemplare ersetzt beziehungsweise ergänzt.
Hersteller von Etro über Basetti bis zu Missoni, Ralph Lauren oder dem Schweizer Christian Fischbacher locken mit neuen Kollektionen, in denen Seide, Kaschmir, Alpaka, Leinen, Merino oder Angora für luxuriös warme Füße – und vielleicht den ein oder anderen neidischen Blick unterkühlter Besucher sorgen. Aber auch in Österreich werden hochwertige Heimtextilien designt, gefärbt und produziert, die den internationalen Wärmespendern in nichts nachstehen. Und deren Designer in dieser kleinen, aber feinen Nische alle irgendwie miteinander verwoben sind.
Ohne Rüschen und Blumen. Zu den jüngsten Mitgliedern der heimischen Textildesignerszene gehören Angelika Pretterhofer und Sarah Stieber, die sich 2017 mit ihrer Marke Gretel selbstständig gemacht und inzwischen bereits ihre zweite Kollektion hochwertiger Tagesdecken und Bettwäsche präsentiert haben. Sie haben sich damit bewusst auf neues Terrain begeben, wie Pretterhofer berichtet: „Es hat im Bereich Bettwäsche in Österreich zwar viel gegeben; aber das, was hochwertig war, war nicht designaffin“, erinnert sie sich etwa an Rüschen und Blumenmuster, die das Qualitätssegment dominierten. Gemeinsam mit Stieber wollte die 35-Jährige das ändern.
Mit ihr teilte sie nicht nur Berufserfahrung in größeren Konzernstrukturen, sondern auch den Wunsch, etwas Eigenes zu machen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen – und eine recht schwach ausgeprägte Kompromissbereitschaft. In dieser Konstellation wollten sie modernes Design mit traditioneller österreichischer Handwerkskunst zusammenbringen, was sich anfangs durchaus als gröbere Herausforderung herausstellte. „Als wir uns in Österreich auf die Suche nach einer Weberei gemacht haben, sind wir zwar überall in der Branche total gut aufgenommen worden, und es war eine wirklich tolle Zeit, in der man uns alle Prozesse erklärt hat“, erzählt sie. Allerdings konnte niemand die Pläne der beiden umsetzen, sie wurden mit jeder Menge guter Wünsche und Kontakte weitergeschickt – bis sie endlich bei einer innovativen Weberei im Mühlviertel landeten, die alle ihre Vorstellungen umsetzen konnte.
Etwas leichter ging es dagegen in Sachen Design voran, als die beiden auf die gebürtige Estin Mari Tosmin trafen, die in Holland lebt und in Österreich studiert hat. Sie verstand die Designideen der beiden sofort und konnte sie auch ausführen. „Wir sind mit einem Bild von einer Bergkulisse mit Sonnenaufgang zu ihr gegangen, das wir so abstrahieren wollten, dass ein echtes Frischegefühl zum Ausdruck kommt“, erzählt Pretterhofer. Was der Designerin bereits im ersten Entwurf perfekt gelang und den Grundstein zur „Suilinee“-Kollektion legte. Die ist seit Ende 2017 in einer Kombination aus Bio-Langfaserflachs aus Belgien und Frankreich mit GOTS (für Global Organic Textile Standard)-zertifizierter, gekämmter Baumwolle, die in Österreich gewebt und genäht wird, erfolgreich auf dem Markt.
Dies ermutigte die Jungunternehmerinnen ein Jahr später, ihre Linie um Tagesdecken zu erweitern; seit Anfang des Jahres wird an einer zweiten Kollektion gearbeitet, deren Produktion durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert worden ist. Auch die neuen Stücke werden wie die bisherigen Produkte auf Bestellung maßgeschneidert und weisen eine ganz besondere Haptik auf: „Diese entsteht dadurch, dass wir unser Design nicht aufdrucken, sondern einweben – was es spürbar macht“, erklärt Pretterhoffer, warum sich ihre Decken, Kissen und Bezüge trotz ruhiger, zurückhaltender Farben eindrücklich von anderen Textilien unterscheiden.
Für Königshäuser und kalte Füße. Der Mann, der dieses Einweben möglich macht, heißt Thomas Pfleger und ist der Besitzer jener „innovativen Weberei im Mühlviertel“, die den „Greteln“ schließlich die Umsetzung ihrer Vision ermöglicht hat. „Luxury Weaving“ heißt seine Manufaktur im oberösterreichischen Oepping, die bei ihrer Gründung „die erste neu gegründete Weberei in dieser Gegend seit 50 Jahren war“, wie Pfleger stolz erzählt. 2012 hat der Web- und Textiltechniker, der vorher viele Jahre international als Designentwickler und Produktionsleiter in der Textilbranche unterwegs war, hier eine neue Produktionsstätte mit modernster Technik auf die grüne Wiese gestellt. „Anfangs haben wir hier hauptsächlich Kollektionen für Kunden gefertigt“, berichtet er, eine der Kernkompetenzen seiner Manufaktur ist das Weben besonders komplizierter Jacquard-Muster, weil sich mit seinen Hightech-Maschinen jeder einzelne Faden individuell steuern lässt.
„Aber ich wollte trotzdem auch meine eigene Kollektion aufbauen und hatte es mir zum Ziel gesetzt, im Preis unterhalb der bekannten Firmen zu bleiben“, erzählt Pfleger von der Entstehungsgeschichte seiner „Luxury Weaving“-Linie. Die kam dann 2014 mit einer ersten Kollektion auf den Markt, umfasst heute Bett- und Tischwäsche, Badetücher und Vorhänge, Decken, Dekorstoffe und Kissen und kommt in warmen Naturtönen gemischt mit modern interpretierten Barockmustern daher. Verwendet werden dabei in dem GOT-zertifizierten Betrieb Leinen, Hanf, Baumwolle, Wolle, Kaschmir und Seide aus Frankreich, Belgien und Italien, die in der Wiener Färberei Fritsch gefärbt werden.
Seine Inspirationen findet Pfleger in der Natur genau wie in alten Büchern oder florentinischen Fresken. Neben seiner eigenen Kollektion liebt der 46-Jährige aber bis heute das Austüfteln und Umsetzen „der verrücktesten Ideen und schwierigsten Aufgaben“, wie er erzählt. Zu diesen gehört beispielsweise die Rekonstruktion einer 200 Jahre alten Wandbespannung für die norwegische Königsfamilie oder ein 60 Meter langer Vorhang, den er ohne Wiederholung in Echtgröße weben konnte. „Da macht es mir einfach Spaß zu zeigen, was wir können“, lacht der Textilexperte, der inzwischen ein 13-köpfiges Team im Mühlviertel beschäftigt.
Nachhaltig wienerisch. Auf die Qualität der Pflanzenfärbung setzten die Designerinnen Antonia Maedel und Lisa Mladek von Rudolf Vienna. Was nicht von ungefähr kommt, denn Mladek wuchs in dem familieneigenen Färbebetrieb, der oben genannten Färberei Fritsch, auf und wurde dort früh in die Geheimnisse des Handwerks eingeweiht. Mit Maedel, die in London Art und Design studierte und sich auf Pflanzenfärberei spezialisierte, gründete sie 2014 das Label Rudolf Vienna – der Name ist eine Reminiszenz an die Großväter der beiden Jungdesignerinnen. Diese wollen in ihren Heimtextilien und ihrer Mode die Qualität und Fertigkeiten von einst mit den Designs und der Technologie von heute kombinieren. Und: „Unsere Idee war von Anfang an, so nachhaltig wie möglich zu produzieren“, berichtet Maedel.
Das gilt für die Materialien wie für die Produktionswege. Hergestellt werden die flauschig-weichen Strickdecken ausschließlich aus Merinowolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung, die in Oberösterreich verstrickt wird. Und in der Färberei im 23. Bezirk, auf deren Gelände sich auch das Atelier von Rudolf Vienna befindet, wird ausschließlich mit Pflanzenfarben gefärbt. Das heißt, die gesamte Produktion spielt sich im Umkreis von 150 Kilometern von Wien ab. Die geografische Nähe spiegelt sich auch in den Designs der Produkte: „Unsere Inspiration sind Wiener Themen“, berichtet Maedel, „die Wiener Farben, Architektur, aber auch Alltagsgegenstände der Stadt wie beispielsweise die Muster der Heizungsabdeckungen.“
Gemeinsame Sache. Diese finden sich abstrahiert in ihren Textilien, weshalb die Designerin in schöner Regelmäßigkeit zu hören bekommt, dass ihre Entwürfe wirken wie jene der Wiener Werkstätte. „Das ist dann aber eher unbewusst“, so Maedel. Wobei das Zeitlose der Wiener Werkstätten auch bei Rudolf Vienna ein großes Thema ist: Die Kollektionen sind bewusst in neutralen, zurückhaltenden Tönen wie Schwarz- oder Grau-Weiß gehalten, Farbtupfer sind dabei zwei Indigotöne; und auch die Muster der Decken „Hofburg“, „Hermesvilla“, „Mayerling“ und „Laxenburg“ sind immerwährende Schönheiten. Diese besondere Verbindung zu Wien dürfte mit ein Grund für die neueste Kooperation der Rudolf-Designerinnen sein: Gemeinsam mit Patrick Bauer und Georg Leditzky von der Sellerie haben sie jetzt die „Capsule Collection“ entworfen, die heuer während der Vienna Design Week Premiere haben und danach im Sellerie-Geschäft in der Burggasse exklusiv zu kaufen sein wird – passenderweise gleich neben den hauseigenen Raumdüften „Naschmarkt“ und „Villa Waldruh“ – wie die Hermesvilla einst hieß.
Tipp
Im Web zum Nachschauen: gretel-poetry.com, uxuryweaving.com, rudolfvienna.com, colortex.at