Vertane Chance in Sachen „Mafia“

Der Tierschützerprozess gerät zur grotesken Show für Gerichtssaalkiebitze, die einmal etwas ganz Neues erleben wollen.

So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Diesen Satz hört man derzeit im Wiener Neustädter Landesgericht besonders oft – Anlass: der Endlosprozess gegen 13 Tierschützer, denen wegen diverser „Aktionen“, etwa gegen den Verkauf von Pelzen, der Mafiaparagraf (§278a Strafgesetzbuch, Kriminelle Organisation) vorgeworfen wird. Dass sich 13 Angeklagte, die von schrillen Demos begleitet werden (Motto: „Sind wir nicht alle ein bisschen §278a?“) – dass sich diese 13 Angeklagten, Profis in Sachen ziviler Ungehorsam, nicht demütig aburteilen lassen, war klar. Aber wenn schon eine „Mafia-Anklage“ eingebracht wird, besteht für das Gericht die Chance, eine Weichenstellung vorzunehmen.

Nicht nur, ob die Staatsanwaltschaft danebengegriffen hat, interessiert die (Prozess-)Öffentlichkeit, sondern auch, ob Tierschützer und damit NGOs wirklich in der Form zu verfolgen sind. Von einer Antwort ist die verantwortliche Prozessleiterin meilenweit entfernt.

Kaum jemand kann sich derzeit des Eindrucks erwehren, dass die Frontlinie nicht nur zwischen den Angeklagten und dem Ankläger, sondern auch zwischen den Angeklagten und der Richterin verläuft. Letztere hat alle Hände voll zu tun, möglichst viele Fragen der Tierschützer nicht zuzulassen. Derzeit sieht es nicht danach aus, als würde am Ende ein ausgewogenes und richtungsweisendes Urteil verkündet werden. Aber der Prozess dauert ja noch lang. Endlos lang. (S. 21)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2010)

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