Digitale Umbrüche

Die Stunde der Buchhalter

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Dass es auch in der Buchhaltung zu wenige digital Wissende gibt, ist nicht neu. Die Not beginnt aber schon bei traditionellen Positionen. Was deren Gehälter in luftige Höhen treibt.

in Personalberater geht in vielen Firmen ein und aus. Alle sagen ihm, es gibt zu wenig Nachwuchs. Nur den suchen sie, weil er digitalaffin ist. Aber heißt jung automatisch auch digital auf Zack?

Matthias Schulmeister sagt Nein. Seine Personalberatung ist auf das Finanzwesen spezialisiert. „Es stimmt einfach nicht, dass jüngere Leute automatisch techaffin sind, nur weil sie jung sind. Sie sind versierter im Umgang mit manchen Social Media. Das heißt aber nicht, dass sie besser qualifiziert sind.“

Nicht nur die Kriterien „jung und digital“ sind kaum zu finden, die Knappheit zeigt sich auch bei Positionen, die man gemeinhin gar nicht mit Digitalisierung assoziiert: bei Buchhaltern, Lohnverrechnern, Bilanzierern. Und natürlich bei den höheren Positionen.
Schulmeister ärgert das: „Alle jammern, statt flexibel zu denken: Die Älteren weiterzuqualifizieren, damit sie länger im Erwerbsleben bleiben und ganz neue Arbeitsmarktreserven aufmachen.“

GK

Was knapp ist, ist teuer

Konsequent sind auch die Gehälter gestiegen, selbst in den klassischen Finanzberufen in den vergangenen drei Jahren um zehn bis 15 Prozent.
Der Trend werde anhalten, sagt Schulmeister, „aber nur, wenn man den Job wechselt – oder es zumindest ankündigt.“ Notgedrungen gingen die Firmen dann auf Gehaltswünsche ein.

Noch stärker steigen die Gehälter für digitalaffine höhere Positionen. Hier erwartet das Controlling-Panel von EY und dem Controller-Institut eine Reihe neuer Rollen, die demnächst in den Finanzabteilungen Einzug halten sollen: Digital-Tool-Experts, Projekt- und Prozessmanager für die Digitalumstellung, IT-Experten und Statistiker/Data Scientists. Ausdrücklich gerufen wird auch nach SAP S/4HANA-Experten und solchen für Analytics-Tools.

Alles Positionen, die man aus IT- und Digital-Projektmanagement kennt. Schulmeister kann sich schwer vorstellen, dass man sie künftig auch in den Finanzabteilungen findet. „SAP S/4HANA produziert Daten in Echtzeit. Jemand muss die richtigen Schlüsse ziehen, sonst ist es nichts als ein Datenfriedhof. Dafür braucht es nur Hausverstand.“
Trotzdem: Ein Grundverständnis für Analytics kann nicht schaden. Zur langfristigen Jobsicherung ist ein einschlägiger Kurs durchaus angeraten.

Wollen täten wir ja . . .

. . . aber tun tun wir nicht“ – so lassen sich die Digitalisierungsinitiativen der Branche beschreiben. EY befragte für sein Panel 280 Controlling-Leiter aus der D-A-CH-Region. Zwei Drittel davon reden und planen, einer von zehn nützt tatsächlich bereits Digitales. Das sind dann Dashboards, Mobile Devices und die Cloud, während man auf Predictive und Advanced Analytics in zwei bis drei Jahren hofft (siehe Grafik).
Die Österreicher kommen dabei im Vergleich zu ihren Nachbarn gut weg. Das hat auch mit der Branche zu tun. In Telekommunikation, Medien und Technologie geschieht viel, in Pharma und Gesundheit weniger. Bei ganz kleinen oder sehr großen Unternehmen mehr, beim Mittelstand weniger. Überall will man kürzere Reaktionszeiten und automatisierte Routineaufgaben. Für Schwarzseher: Kostensenkung und Personalabbau werden nicht genannt.

(red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2019)

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